Ganz ohne Kitsch, dafür mit viel Wahrhaftigkeit: »Das Licht auf der Piazza« in der Black Box des Linzer Musiktheaters

Foto: Reinhard Winkler

Das Musical von Craig Lucas (Buch) und Adam Guettel (Musik und Gesangstexte) erzählt etwas, was eigentlich in jedem Musical erzählt wird: Eine Liebesgeschichte. Meist wird diese mit viel Beiwerk versehen, um Orte, historische Geschichten, kunstvolle Kämpfe oder große Bühnenszenarien für die Zuschauer darzubieten, denn eine Liebesgeschichte allein – was kann die schon bieten – und wurde das nicht schon so oft erzählt? Diese Geschichte, die 2003 als Musical uraufgeführt wurde und deren Basis in einem Film aus dem Jahre 1962, bzw. einer Novelle von 1960, liegt, könnte in wenigen Worten zusammengefasst werden. Junge und Mädchen verlieben sich ineinander und heiraten. Es gibt nicht einmal viele Probleme, durch die sie sich hindurchkämpfen müssen, es gibt keine Fehde zwischen Clans, die zwischen der Liebe stehen, es gibt keine Abenteuer, die der Junge bezwingen muss, um die Liebe der Angebeteten zu gewinnen, es gibt nicht einmal eine große Fragestellung, ob sie sich wirklich ineinander verlieben, es muss auch niemand sterben – gar nichts von all dem. Es gibt eine Begegnung, ausgelöst vom Wind, der ihren Hut davonträgt, welchen er, Fabrizio, auffängt, ihr, Clara, bringt und die den Charme und Zauber frischer Verliebtheit sofort spüren lässt. Claras Mutter erklärt im Stück immer mehr, was denn eigentlich wirklich ein Problem sein könnte in der Liebesbeziehung: Ihre Tochter ist nach einem Unfall mit einem Pferd geistig behindert. Und während sich Mutter und Vater immer darauf konzentriert haben, wie problematisch diese Behinderung ist, kommt der junge Fabrizio mitsamt seiner Familie im großartig-italienischem Lebensstil einfach daher und liebt Clara genau so, wie sie ist. Für die Mutter ist dies ein Lernprozess, nicht nur, dass sie ihre Tochter loslassen muss, sie muss sich auch damit konfrontieren, dass diese eine Liebe erlebt, die sie schon lange nicht mehr mit ihrem Mann verspürt. Sie darf aber auch erleben, dass Liebe von Normen unabhängig sein kann, wenn sie denn tief und echt ist.

Foto: Reinhard Winkler

Die ruhig erzählte Geschichte lässt den Spannungsbogen nie fallen, es passieren immer nur Kleinigkeiten, die aber alle miteinander verwoben sind. Die Musik ist ebenso intelligent komponiert, wie das Buch geschrieben wurde, hier geht man zwar nicht mit Ohrwürmern nach Hause, hier denkt man eher bewundernswert über die Leistung der Sänger nach, ebenso wie darüber, dass tatsächlich eine handwerklich perfekte Verschmelzung stattfand, die weder Musik noch Buch in den Vordergrund stellt.

Foto: Reinhard Winkler

Valerie Luksch spielt Clara, hinreißend jung und jugendlich, gesanglich beeindruckend und schauspielerisch insbesondere in ihren angsterfüllten Momenten sehr stark. Als ihre Mutter steht Sarah Schütz stets an ihrer Seite, mit warmer Stimme führt sie durch den Abend und nimmt die Zuschauer wortwörtlich immer wieder mit.

Lukas Sandmann hat vermutlich italienische Vorfahren, die ihm Temperament und liebenswerte Ungestümtheit mit in die Gene gelegt haben. Einen starken Part hat auch noch Max Niemeyer als Fabrizios Vater, durch und durch italienisch elegant wie auch charmant und gesanglich einwandfrei macht es Freude, ihn zu beobachten.

Foto: Reinhard Winkler

Als Fabrizios engere Familie stehen Enrico Treuse, Alexandra-Yoana Alexandrova und Sanne Mieloo auf der Bühne. Selbst wenn man kein Wort italienisch spricht, so macht es einfach Spaß, den italienischen Wörtern zu lauschen und die Spielfreude gleichermaßen wie die Spielkunst der Darsteller aufzusaugen. Gernot Romic hat nur kurze Momente, in denen er glänzen kann, dass er zu den Publikumslieblingen der Linzer gehört, lässt sich klar beim Schlussapplaus bemerken.

Dass die Musik von Guettel so feinsinnig und klar pointiert gespielt wurde, liegt an der musikalischen Leitung von Juheon Han, der selbst auch Teil des fünfköpfigen Orchesters ist.

Judith Peter hat für unaufgeregte Kostüme gesorgt, die zeitlich in den Kontext Ende der 1950er Jahre passen. Das Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf ist schlicht und gleichermaßen intelligent gedacht. Die Leichtigkeit der Szenenumsetzung ist sicherlich vor allem auch Melissa King zu verdanken, die sowohl die Inszenierung als auch die Choreographien verantwortet. Die Charaktere, jeder für sich, sind klar herausgearbeitet und obwohl sie mit einigen stereotypischen Ansätzen spielt, wirkt es dennoch immer alles ganz individuell.

Es kommt im Namen schon vor – daher ist es kaum verwunderlich, dass es sich tatsächlich fast als Hauptakteur hervorspielt – das Licht. Michael Grundner hat wunderbare Lichtstimmungen geschaffen, die die eigentlich kleine Bühne ganz groß werden lassen.

Hier in der Blackbox passiert eine Besinnung auf das, was so einfach scheint, wenn es perfekt gemacht ist – Theater in der pursten Form, wo nichts vom Inhalt ablenken muss, das einfach nur mitnimmt und im Herzen bleibt.

Foto: Reinhard Winkler

 

Die ausführliche Kritik zu diesem Stück erscheint in der Ausgabe 129 / 03_2024.