Großes Kino im beschaulichen Wilhelmshaven, denn mit »Kein Pardon« wagt sich Regisseur und Intendant Olaf Strieb diesmal an keine leichte Produktion des Musicalfachs, wo Ruhrpott-Nostalgie auf Attitüden des Fernsehalltags und die dort gelebten Karrieren und Psychosen trifft und das Leben der Bergleute und der »kleinen Leute« der Verlogenheit von Werbe- und Fernsehshowaussage, sowie der Unterhaltungsbranche an sich gegenübergestellt werden.
Das Ganze auch noch basierend auf dem gleichnamigen Film von Angelo Colagrossi, Achim Hagemann und natürlich Hape Kerkeling, die mit Ihrer erfolgreichen Filmvorlage eine gewisse Grunderwartung an den Premierenabend geschürt haben.
Und was soll man sagen? Die Erwartungshaltung wurde sogar übertroffen. Der Abend war einfach phänomenal! Gekonnt wurde hier eine flotte Regie (Olaf Strieb) geführt, die wunderbare Anschlüsse schuf und die die Charaktere, besonders die von Peter Schlönzke (großartig gespielt und gesungen von Gregor Scheil) und Heinz Wäscher (vielseitig und kraftvoll: Stefan Faupel), in die Tiefe interpretieren ließ.
Die Arrangements von Heribert Feckler tragen, wie schon bei der Uraufführung in Düsseldorf, auch hier in Wilhelmshaven zu einem schmissigen Abend bei, die von einer kleinen Band, bestehend aus sechs Musikern und unter der Showtreppe auf der Bühne sitzend, klangvoll unter der Leitung von Simon Kasper umgesetzt werden. Der Ton (Knuth Hildebrandt) war am Anfang der Premiere noch etwas verhalten und hatte auch mit einzelnen Mikro-Ports zu kämpfen, zog aber im Laufe des Abends an und entwickelte etwas mehr Kraft und Dynamik; es hätte noch einen kleinen Tick lauter sein können.
Die knallbunte Satire auf Ruhm, Fernsehen und die ewige Suche nach dem großen Durchbruch kommt mit ordentlich glitzernden Kostümen von Cornelia Brey daher ‒ schick der blaue funkelnde 80er-Jahre-Showanzug von Heinz Wäscher! Das Bühnenbild, auch von Cornelia Brey, gleicht einer großen Showtreppe und baut gekonnt das Wohnzimmer der Schlönzkes und ihrem Schnittchen-Geschäft im oberen Teil der Bühne mit ein. Im unteren Bereich lassen drehbare Elemente dann das Tonstudio von Ulla mit Ihrer BATZEN-Werbung oder Casting-Szenen entstehen.
Im Zentrum der Geschichte steht Peter Schlönzke, ein schüchterner und etwas unkontrollierter Metzgerssohn aus Duisburg mit einem großen Traum: Er will ins Fernsehen – am besten als Moderator der Kultshow »Witzigkeit kennt keine Grenzen«, die er schon als Kind begeistert verfolgt hat. Als sich die Chance auf ein Casting ergibt, lässt er alles hinter sich und taucht ein in die vermeintlich glanzvolle Welt des Showbiz.
Doch schnell wird klar: Hinter der Bühne ist alles anders. Statt Witz und Wärme erwarten Peter zynische Produzenten (so witzig gespielt von Jeffrey von Laun), ausgebrannte Stars und eine Medienmaschinerie, die alles frisst – auch Träume. Auch sein Vorbild Heinz Wäscher entpuppt sich anders als erwartet. Trotzdem bleibt er hartnäckig und bekommt durch eine Verkettung von Zufällen tatsächlich die Chance, selbst auf der großen Bühne zu stehen. Was nach einem klassischen Aufstieg klingt, wird in »Kein Pardon« jedoch zum Prüfstein für die eigene Integrität, denn mit dem Rampenlicht kommt auch die Frage: Wie viel vom eigenen Ich darf (oder muss) man aufgeben, um erfolgreich zu sein? Wie viel Familie darf noch sein?
Wer den liebevoll verpackten Spiegel für alle, die schon einmal vom großen Durchbruch geträumt haben, selbst betrachten mag, hat ab jetzt und über die ganze Spielzeit in Wilhelmshaven und auch auch an anderen Spielorten im Norden noch die Gelegenheit dazu, denn diese Produktion geht nach der festen Zeit am Haus auf Tour.
Ein Muss, nicht nur für Fans von Hape Kerkeling und Musical-Liebhaber, sondern für alle, die wissen wollen, was wirklich hinter den Kulissen so passiert.
Also Bussi Bussi und bitte werfen Sie eine Münze ein, dann erklingt vielleicht schon bald Ihre ganz persönliche Glücksmelodie! Schnell hin zu »KEIN PARDON«!
Dies ist eine gekürzte Version des Artikels, der in der kommenden Ausgabe 05-2025, Nr. 137, erscheinen wird.