Eine musikalische Zeitreise nach Berlin – »Berlin Berlin« auf Tour

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Foto: Christian Kleiner

Nach einer erfolgreichen Spielserie am Berliner Admiralspalast kehrt nun die aufwendige Revue »Berlin Berlin« zurück auf die deutschsprachigen Bühnen und macht aktuell Station in Wien. Zu Beginn ist der Vorhang noch zu, zwei Soldaten sitzen und hören im Radio ›Berliner Luft‹ aus der Berliner Operette »Frau Luna« von Paul Lincke. Wenige Momente später geht der Vorhang auf und man befindet sich mitten im Admiralspalast. Es wird getanzt, gesungen und gefeiert. Einer der beiden Soldaten entpuppt sich als Admiral, der hier als Erzähler fungiert. Gemeinsam mit dem Ensemble singt er ›Puttin‘ on the Ritz‹. Die Nummer funktioniert zwar als Eröffnungsnummer, aber man fragt sich auch, was das mit Berlin zu tun haben soll. Außerdem: Was hat ein Admiral im Admiralspalast verloren?  Natürlich braucht es hier einen Erzähler, der die Revueszenen zusammenhält, und Simon Stockinger glänzt mit rauchiger Gesangsstimme und zeigt sich auch schauspielerisch in Topform, aber warum ausgerechnet als Admiral?

Foto: Jens Hauer

Im ersten Akt wird Berlin als die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten dargestellt. Viele Künstler haben ihre Karrieren in Berlin gestartet und alle kommen in den Admiralspalast. So trifft man auf die Tänzerin Anita Berber, die spät im Stück als solche vorgestellt wird, oder etwa Kurt Weill und Bertolt Brecht, die wenige Tage vor der Uraufführung ihrer Dreigroschenoper noch an einem Song für Mackie Messer arbeiten und dank des Admirals die Idee zur berühmten ›Moritat des Mackie Messer‹ bekommen. Natürlich ist das historisch nicht richtig, aber dennoch ist diese Szene gelungen. Harald Paulsen versucht sich dann gleich mit dem Lied, allerdings wird der Song dann vom Admiral in englischer Sprache als jazzige Shownummer fortgesetzt. Schade, weil das dramaturgisch die Handlung, die ohnehin eher schwach ist, nicht unbedingt weiterbringt. Genauso unklar ist, warum Anita Berber (überzeugt sowohl schauspielerisch als auch gesanglich: Jil Clesse) den Titelsong aus »Cabaret« singt, das erstens erst 1966 uraufgeführt wurde und zweitens in den 1930er Jahren spielt. Natürlich darf Marlene Dietrich nicht fehlen. Diese besucht den Admiralspalast am Tag der Premiere ihres Films »Der blaue Engel« und erzählt von ihrem Angebot aus Hollywood, für das sie demnächst verreisen wird. Musikalische Häppchen gibt es in Form von ›Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt‹, ›Ich bin die fesche Lola‹ oder ›Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre‹. Insbesondere die letzten beiden Nummern gehören dank der Darbietung von Lena Müller zu den musikalischen Höhepunkten des Abends, auch wenn sie nicht in voller Länge gesungen werden.  Zwar historisch nicht korrekt, aber gesanglich ein Höhepunkt ist das Duett von Berber und Dietrich mit ›Wenn die beste Freundin‹.

 Zwar frei erfunden, aber besonders unterhaltsam ist die Rolle des Kutte. Dieser sucht eine Anstellung im Admiralspalast und wird trotz seiner naiven und ungeschickten Art auf Anhieb aufgenommen. Hier entsteht ein humorvolles Zwischenspiel zwischen dem strengen Admiral und dem verspielten Kutte (besonders humorvoll: Sebastian Prange). Musikalisch unterstrichen wird das durch ein kurzes ›Ich hab‘ das Fräulein Helen Baden sehn‹, wo Sebastian Prange sich sehr wohl fühlt, während Simon Stockinger mit ›Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehen‹ aus Paul Abrahams Operette »Ball im Savoy« kontert.  Letzteres endet in einem Duett, in dem die beiden Herren wunderbar harmonieren. 

Im zweiten Akt begegnen wir weiteren wichtigen Protagonisten aus dieser Ära. Wir springen die 1930er Jahre und beginnen mit Auszügen aus Ralph Benatzkys »Im weißen Rössel«. Auf diese folgt der Auftritt der Comedian Harmonists. Diese glänzen nicht nur mit einigen Nummern, und das in voller Länge, sondern gewähren Einblicke in ihren Werdegang. Ob diese so stimmen, sei dahingestellt, aber dramaturgisch funktioniert es. Neben ›Wochenend‘ und Sonnenschein‘‹ , ›Veronika, der Lenz ist da‹ oder dem Klassiker ›Mein kleiner grüner Kaktus‹ können die fünf Herren auch mit ›Ein Freund, ein großer Freund‹ aus der Feder von Werner Richard Heymann punkten.  Schön, dass hier eigens ein Pianist sie begleitet.

Ebenfalls begegnen wir Josephine Baker. Diese wird von Dominique Jackson verkörpert, die vor allem tänzerisch und gesanglich begeistert.  Mit ihr nimmt das Stück ein Wende und zeigt die negativen Seiten dieser Zeit.  Leider war diese Zeit auch von Rassismus und später vom aufkommenden Nationalsozialismus geprägt. Während sie noch ›Ain‘t misbehavin‘‹ singt, wird sie von einem Herrn unterbrochen und mit rassistischen Sprüchen beschimpft. Gemeinsam mit dem Ensemble versucht Baker den Herrn mit „›Mein Herr‹ aus »Cabaret« zu kontern. Das ist zwar eine großartige Nummer, hat aber mit der Geschichte überhaupt nichts zu tun und stammt auch aus einer völlig anderen Zeit.

Besonders berührend ist, mit Schattenspiel und einem roten Vorhang, die A-Cappella-Version von Werner Richard Heymanns ›Irgendwo auf der Welt‹.  Auch der Admiral ist betrübt, der Admiralspalast muss schließen, Josephine Baker zieht nach Paris und Paul Abraham versucht sein Glück in Wien. Der einzige mit Hoffnung und Lebensfreude ist Kutte, der einen neuen Club eröffnen möchte und dem Admiral eine Stelle anbieten möchte. Dramaturgisch klug gelöst. Nur schade, dass der Ton bei der letzten Nummer nicht ganz mitgemacht hat.

Foto: Jens Hauer

Christoph Biermeier, der für Regie und Buch verantwortlich ist, hat hier eine unterhaltsame und am Ende berührende Revue inszeniert, die vielleicht dramaturgisch eventuell besser hätte sein können, aber dank der Choreografien von Matt Cole und einem starken Ensemble bekommt man ein Gefühl für die Zeit der Roaring Twenties in Berlin. Unter der musikalischen Leitung von Jeff Frohner begleitet ein 7-köpfiges Orchester, das durchaus für einen zeitgemäßen Klang sorgt.