Geschieden, geköpft – live! »SIX – the Musical« auf Deutschland-Tour im Berliner Admiralspalast

Foto: Pamela Raith Photography

Das britische Musicalphänomen »SIX«, das sich in der Form eines Popkonzerts dem Leben und Leiden der sechs Ehefrauen König Heinrichs VIII. von England annimmt, machte auf seiner Tournee durch Mitteleuropa als erste Station im Admiralspalast in Berlin halt. Offenbar trifft die Show einen Nerv, denn an einem Sonntagnachmittag war der Admiralspalast fast ausverkauft und die Stimmung vom ersten Moment an bombastisch. »SIX« ist kein traditionelles Musical – es hat kaum eine äußere Handlung.. Man könnte es vielleicht als Pop-Konzert im historischen Rahmen (der im Übrigen erstaunlich korrekt wiedergegeben ist) bezeichnen, und es scheint, dass diese Verbindung von historischem Inhalt und moderner Form im Moment ein Erfolgsrezept ist.

Foto: Pamela Raith Photography

Der Inhalt ist schnell erzählt: Sechs Königinnen, die Ehefrauen des notorischen englischen Königs Heinrichs VIII., treten auf mit dem Reim, mit dem allen englischen Schulkindern die Reihenfolge der sechs Königinnen beigebracht wird: „Divorced, beheaded, died, divorced, beheaded, survived“. Schnell einigen sich die Damen darauf, dass sie keine Lust mehr haben, sich auf einen Abzählreim reduzieren zu lassen und beschließen. stattdessen ihre Geschichte (»our history, or as we like to say, herstory«) selbst zu erzählen und dazu die Band der ›Ex-Wives‹ zu gründen. Die Leadsängerin soll diejenige werden, die am meisten unter Heinrich gelitten hat.

Catherine von Aragon (Nicole Louise Lewis), Heinrichs erste Frau, berichtet, wie sie 24 Jahre lang Heinrich eine treue und loyale Ehefrau war, trotz all seiner Affären, und wie sie überzeugt war, dass sie bis an ihr Lebensende Königin von England sein würde – bis er dann beschloss, sie wegen Mangels an einem männlichen Erben und seiner Verliebtheit in Ehefrau Nummer 2 abzuschieben (›No Way‹). Diese, Anne Boleyn (Izi Maxwell), erzählt, wie sie Heinrich dazu gebracht hat, mit der Kirche zu brechen, um sie heiraten zu können, aber als sie auch »nur« ein Mädchen zur Welt brachte und Heinrich ihrer überdrüssig wurde, dichtete er ihr Affären an und ließ sie als Hochverräterin enthaupten (›Don´t Lose Ur Head‹). Jane Seymour (Erin Caldwell) hat die stärkste Ballade des Stücks zu singen (›Heart of Stone‹): Ihre Tragödie war, dass Heinrich und sie einander zwar liebten, sie aber gerade dann, als sie ihm endlich einen Erben geboren hatte, im Kindbett starb.

Foto: Pamela Raith Photography

Eine temperamentvolle Ensemble-Nummer ist ›The House of Holbein‹, in dem die damaligen Schönheitsstandards, die Heinrich von seinen Damen erwartete, anhand der Beschreibung der Entstehung der Brautbilder Hans Holbeins für den König durch den Kakao gezogen werden. Die nach dem Portrait Auserwählte, Anna of Cleves (Kenedy Small), klagt weniger, als dass sie ihr Schicksal der verstoßenen Königin, die gleichwohl nach der Scheidung in Luxus und Unabhängigkeit lebt, eher fröhlich kommentiert (›Get Down‹) – und für ihre Referenzen an Deutschland und ihren gelungenen deutschen Akzent einen Sonderapplaus verbuchen kann. Anders erging es Katherine Howard (Lou Henry), die als hübsches Mädchen schon sehr jung von Männern ausgenutzt wurde und als Teenagerin den 32 Jahre älteren König heiraten musste (›All You Wanna Do‹). Dass ihr zwar der königliche Luxus gefiel, aber weniger der alte Ehemann als die attraktiven jungen Höflinge, besiegelte ihr Schicksal als zweite der Königinnen, die enthauptet wurden. Bevor der Streit zwischen den Damen handgreiflich werden kann, mischt sich Catherine Parr (Aoife Haakenson), die überlebende Witwe, ein. Auch sie singt erst einmal davon, wie sie ihre wahre Liebe Thomas Seymour (Bruder der Königin Jane) verlassen musste, weil Heinrich sie zur Frau wollte, aber sie kommt als intelligente Frau zu der Erkenntnis, dass sie eigentlich als Buchautorin und große Verfechterin der Frauenbildung nicht immer nur über ihren Ehemann definiert werden möchte (›I Don´t Need Your Love‹). Nach und nach kommen alle Königinnen zu dem Schluss, dass es an der Zeit ist, selbst über sich und ihren Nachruhm zu bestimmen, und bilden eine gleichberechtigte Gruppe, die beschließt: »We´re free to take our crowning glory.«

Der abschließende ›Megasix‹, eine Art Medley der Songs, sorgt dann für Partystimmung im Publikum, nicht zuletzt befeuert durch die kleine, aber hervorragende Band mit vier Bandmitgliedern (Pardon: Ladies-in-Waiting) unter Leitung von Yutong Zhang. Der Jubel des Publikums erforderte viele Verbeugungen – so eine grandiose Stimmung ist im Theater nicht allzu häufig und beweist wieder einmal, dass das Berliner Publikum, wenn ihm denn etwas wirklich gefällt, äußerst ausdauernd ist im Spenden von Applaus. Ein Besuch lohnt sich ganz sicher!

In Berlin bis zum 24.3., dann vom 26.3. bis 4.4. im Deutschen Theater in München. Alles Weitere hier: https://sixthemusical.de

 

Eine ausführliche Kritik lesen Sie in der kommenden Ausgabe Nr. 128 / 02-2024 der blickpunkt musical.