Es ist für mich keine Belastung, sondern eine Bereicherung: Barbara Obermeier über ihr Engagement im Verein nestwärme Österreich

blickpunkt musical: Der Verein nestwärme ist mittlerweile ein länderübergreifender Verein, er ist in Deutschland, Luxemburg, der Schweiz und auch Dank Ihnen in Österreich vertreten. Wie kam es damals zu der Zusammenarbeit?

Barbara Obermeier: In der Vergangenheit hatte ich bereits mehrere Charity-Konzerte mit Freunden und Kollegen organisiert, zum Beispiel für den Verein Ute Bock mit dem damaligen »Hair«-Ensemble unserer Produktion aus Amstetten. Das hatte mich damals sehr erfüllt und ich wollte das gerne wieder machen, verbunden mit dem Hintergrund, generell etwas mehr über soziales Engagement in unserer Gesellschaft zu lernen und eventuell auch selbst über die Grenzen eines Charity-Konzertes hinaus unsere Gesellschaft mitzugestalten. Einer der damaligen Kollegen war Stefan Konrad. So kam es, dass ich ihn im Herbst 2019 zufällig auf der Straße in meinem Bezirk wiedergetroffen habe, da er in die Nachbarschaft gezogen war. Bei einer Melange hat er mir erzählt, dass er gerne wieder ein Konzert organisieren möchte, in diesem Fall für den Verein nestwärme. Ein mir damals noch unbekannter Begriff, aber seine Erzählungen über den Verein und dessen Wirken haben mich doch sehr beeindruckt und bewegt. Ein paar Wochen später waren wir bereits mitten in den Vorbereitungen für das Gründungs-Charity-Konzert, in der Anker Brotfabrik, des ersten österreichischen Standortes des Vereins nestwärme Österreich. Nachdem ich das Wirken des Vereins, dessen Geschichte in Deutschland und die Gründerinnen Petra Moske und Elisabeth Schuh immer intensiver kennengelernt und mich damit auseinandergesetzt habe, hat mich die Frage meines mittlerweile sehr guten Freundes und Vertrauten Stefan Konrad sehr gerührt, ob ich den Verein mit ihm in Österreich leiten und aufbauen möchte. Seit Juni 2020 freue ich mich sehr über das mir gegebene Vertrauen, Vizepräsidentin und im Vorstand des Vereins zu sein und gemeinsam mit Stefan Konrad, unserem Präsidenten und Vorstand, viele schöne Projekte zu realisieren.

blimu: Erklären Sie uns kurz, was genau der Verein eigentlich macht und unterstützt.

BO: Der Verein nestwärme Österreich nimmt sich jener Menschen an, die in und durch Krisensituationen im gesellschaftlichen Abseits stehen. Dabei sind es vor allem Alleinerziehende sowie Familien mit behinderten, chronisch kranken und schwerkranken Kindern, die unterstützt werden. Auf diese Weise wollen wir Gemeinschaft, Selbstwirksamkeit, Teilhabe und Herzensbildung fördern. Wichtig für uns ist, dass jeder Mensch in unserer Gesellschaft einen Platz hat und inkludiert wird. Gerade durch Corona haben wir alle erfahren, was Isolation für schreckliche Auswirkungen haben kann, Scham und Angst sind gerade bei unseren betreuten Familiensystemen ein großes Thema. Wir versuchen, durch unsere verschiedenen Projekte einen Ort des Austausches und der Gemeinschaft zu schaffen. Durch unsere Sonnenkinder-Camps zum Beispiel bietet nestwärme Österreich gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern eine kostenfreie Kinderbetreuung an, in der Kinder österreichweit in anregender und liebevoller Umgebung gut versorgt, gut verköstigt und vor allem auch gut unterhalten werden! Wir möchten Familien in harten Zeiten landesweit unter die Arme greifen und deren Kindern eine kostenlose Teilnahme an den Camps ermöglichen. Kulturvergnügen ist in Tagen rund um Inflation und die Nachwehen der Corona-Zeit bedauerlicherweise für viele Menschen in Österreich ebenfalls keine Selbstverständlichkeit mehr. Obgleich der Anspruch auf Kultur, Spiel und Kunst als eigenständiges Recht im Kanon der UNICEF Kinderrechte verankert ist, mangelt es an Möglichkeiten kostenloser Kulturangebote. Besonders trifft dies unsere betreuten Familien, die durch Krisensituationen sowieso im gesellschaftlichen Abseits stehen. Die Theatertanten sind eine Aktion unseres Vereins, die es Familien mit kranken, schwerkranken und behinderten Kindern/Angehörigen, Familien in finanzieller Not sowie Alleinerziehenden möglich macht, gemeinsam einen Theaterbesuch zu erleben – und das kostenlos! Parallel bieten wir Resilienz-Kurse und Workshops an, bei denen ein besonderes Augenmerk auf die Förderung der Selbstfürsorge unserer Teilnehmer:innen gelegt wird. Gut für sich selbst zu sorgen ist ein wichtiges Thema der Resilienz. Nur wenn wir ein Bewusstsein für unsere eigenen Bedürfnisse entwickeln, sind wir in der Lage, auch ein Verständnis für die Bedürfnisse von anderen Menschen zu entwickeln – und das ist wichtig, weil die Bedürfnisse jedes Einzelnen ständig miteinander interagieren.

blimu: Sie sind ja nicht nur einfach »helfende Hand«, sondern tatsächlich auch im Vorstand – und das alles neben den vielen Engagements auf der Bühne. Was an der Arbeit erfüllt Sie so sehr, dass es all den Stress, der durch die Doppelbelastung entsteht, wert ist?

BO: Ich glaube, ein wichtiger Punkt ist, dass es für mich keine Belastung ist, sondern eine Bereicherung und ein Privileg. Natürlich gehört dazu an erster Stelle ein großartiges Team. Rund um Stefan Konrad und mich sind das Magdalena Hartl, Suzana Galic, Irene Hruska, Gernot Ottowitz sowie das nestwärme-Team aus Deutschland, die die gleichen Ziele verfolgen. Dadurch lässt sich meine Arbeit auf der Bühne
und die Vereinsarbeit gut vereinbaren. Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass uns dieses Vertrauen entgegengebracht wird und unser Verein in Österreich auch durch mein Darstellerinnen-Leben Sichtbarkeit erhält. Wir befinden uns gerade in der Planung für das Jahr 2024 und ich freue mich sehr auf alle neuen Herausforderungen und Begegnungen. Ich persönlich empfinde es nicht als selbstverständlich, in einem Land zu leben, in dem zum Beispiel kein Krieg herrscht oder ich gesund und im Wohlstand leben darf. Die Möglichkeit, mein Umfeld mitzugestalten und gegebenenfalls etwas zu verbessern und ebenfalls auf Missstände aufmerksam zu machen, sind für mich Grundbausteine eines solidarischen und inklusiven Miteinanders. Ich lerne jeden Tag neue Dinge, sei es im administrativen Bereich, der Organisation gemeinsam mit unserem Team und natürlich auch mit den vielen Menschen, die ich ohne nestwärme nie kennengelernt hätte.
Manchmal sind die Tage stressig, aber gerade durch die vielen Vernetzungen im Theaterleben öffnen sich so viele Türen, es gibt viele helfende Künstlerhände und Kooperationen, die die Arbeit im Verein erleichtern. Das ist für mich ein ganz großes Plus in der Vereinsarbeit.

blimu: Können Sie sich erinnern, was in all den Jahren der berührendste Moment in Ihrer Tätigkeit war?

BO: Es gab so viele Momente, die sehr berührend waren. Wir werden mit vielen Schicksalen konfrontiert, angefangen bei den Camps, einem Vater zum Beispiel, der seine Frau bei einem Autounfall verloren hat und mit seiner Tochter den Kontakt zu unserem Verein gesucht hat. Wir freuen uns, seitdem mit ihm bei unseren Aktionen im stetigen Austausch zu sein, er hilft uns immer bei anstehenden Aktionen, genauso wie eine Kollegin, die selbst einen schweren gesundheitlichen Schicksalsschlag erlitten hat, und auch sie kämpft sich beeindruckend ins Leben zurück und freut sich über jeden Moment in der nestwärme-Gemeinschaft. Es sind die kleinen Momente, die mich zutiefst berühren, die Gespräche mit einer älteren Frau zum Beispiel, die bei einem unserer Grätzlzeichenkurse vorbeiging und sofort von zuhause noch Papier und Stifte geholt hat, um sich zu uns zu setzen. Sie erzählte über ihre Einsamkeit im Alltag und wie schön für sie das gemeinsame Sitzen und Zeichnen sei. Ein kleines Wort und ein offenes Ohr können so viel bewirken, umso mehr schätze ich die große Unterstützung und Präsenz unserer vielen Musical-Kolleg:innen, die uns immer tatkräftig bei nestwärme Österreich unterstützen.
Die vielen Stunden des gemeinsamen Gestaltens, Umsetzens und Erlebens sind für uns ganz besondere Momente.

blimu: Wie können Ihnen Menschen, die jetzt darauf aufmerksam geworden sind und unterstützen möchten, am besten helfen?

BO: Im sozialen Engagement gibt es viele Wege, um zu helfen. Wir sehen uns mit unseren Vereinsthemen weniger als Konkurrenzangebot zu vielen großartigen Vereinen in Österreich, sondern als Ergänzung. Häufig kommt es vor, dass Menschen, die bereits in einem Krankenhaus, Hospiz oder Verein betreut werden, zusätzlich zu dieser Einrichtung unsere Angebote annehmen, weil diese eher unterhaltsamer oder sozialer Natur sind. Wir freuen uns immer über aktive Mithelfer bei Aktionen, vor Ort oder auch über ein Sponsoring oder einer Kooperation bei unseren Angeboten im Bereich Sonnenkinder-Camps, Theatertanten oder Fundraising. Diesbezüglich kann man uns gerne über unsere E-Mail-
Adresse office@nestwaerme.org erreichen.
Da wir ein durch Spenden finanzierter Verein sind, freuen wir uns über jeden Euro, der uns erreicht. In der Vergangenheit wurde unser Verein durch Charity-Konzerte oder verschiedene Spendensammlungen von einzelnen Theatern, Ensembles oder auch Fanclubs unterstützt.
Wenn man als Privatperson, Schule, Verein oder Unternehmen Lust hat, selbst aktiv zu werden und mit einer Aktion Spenden für nestwärme sammeln möchte, dann freuen wir uns sehr über ein Engagement und stehen gerne beratend zur Seite.

Informationen nestwärme Österreich unter:
www.nestwaerme-oesterreich.at
Spenden:
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nestwärme Österreich – das Inklusions Netzwerk für Familien
Mölker Gasse 3/4 – AT-1080 Wien
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