Er fliegt wieder: »Zeppelin ‒ Das Musical« von Ralph Siegel

Foto: Ingrid Kernbach

Man nehme: Deutschlands schönstes Musical Theater.
Die wunderbare Musik eines großartigen Komponisten.
Drei hervorragende, bekannte Musicalstars und ein super ambitioniertes und talentiertes Ensemble.

Heraus kommt ein Musical, dessen Themen heutzutage genau so aktuell sind, wie sie es im 19. Jahrhundert oder 1937 waren: Liebe und Leidenschaft, Krieg und Rassismus. Der Altmeister des deutschen Schlagers erfüllte sich nach eigener Aussage mit diesem Stück einen Traum. Trotz Pandemie und vielen anderen Schwierigkeiten schaffte es der Zeppelin, vor drei Jahren, im Herbst 2021, zum ersten Mal im Festspielhaus Füssen abzuheben.
Am 25. Mai 2024 schwebte der Zeppelin nun also erneut durchs Festspielhaus Neuschwanstein und das Musical erlebte seine sehr erfolgreiche Wiederaufnahme.
Dass allein der Anblick des gigantischen Stahlgerüstes auf der sich drehenden, in strahlende Scheinwerfer gehüllten Bühne den Zuschauern den Atem stocken lässt, ist nicht verwunderlich. Dass aber dann ein etwas kleinerer Zeppelin später auch noch frei über die Köpfe der Zuschauer fliegt, ist eine weitere technische Meisterleistung (auch wenn er im Premierenjahr weiter in den Saal flog).

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»Zeppelin« erzählt die Geschichte von Ferdinand Graf Zeppelin, der mit seiner Idee, ein Luftschiff zu bauen, die Luftfahrt revolutionierte. Dass diese Luftschiffe dann auch für Kriegszwecke genutzt wurden, war von ihm so nicht geplant. In einer zweiten Zeitschiene erzählt »Zeppelin« die traurige Geschichte der »Hindenburg«, dem Zeppelin, der 1937 in Lakehurst bei New York aus ungeklärten Gründen abstürzte und damit das Kapitel der Zeppelin-Passagierluftfahrt für immer beendete.
Mit an Bord des Musicals sind neben dem wirklich großartigen Ensemble des Festspielhauses, unterstützt durch die Kinder der hauseigenen Musical-Akademie, am Tag der Wiederaufnahme drei prominente Gastmusicaldarsteller:

Foto: Ingrid Kernbach

Misha Kovar, die an Bord der »Hindenburg« gegen Antisemitismus kämpfen muss und mit Ausstrahlung und Stimme in der Rolle der Wiener Sängerin Emmy Berg überzeugt (die für sie ein eher ungewöhnliches Stimmfach darstellt).

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Chris Murray als der amerikanische Millionär Jim Cagney, der mit seiner starken Stimme und Dynamik die Bühne vor allem in dem energiegeladenen Solo ›When You’re On Top‹ zum Beben bringt.
Und Tim Wilhelm, Sänger der Münchener Freiheit, der inzwischen auch öfter in Sachen Musicals unterwegs ist und der als Ferdinand Graf Zeppelin gesanglich und schauspielerisch überzeugt.
Eine positive Überraschung ist auch, dass man wirklich alle Mitwirkenden einwandfrei verstehen kann, was bei anderen Produktionen nicht immer der Fall ist. Der amerikanische Akzent von Jim Cagney und Kathy Wigman ist gespielt und Teil des Rollenprofils.

Foto: Ingrid Kernbach

Unter der einfühlsamen Regie von Intendant Benjamin Sahler und der musikalischen Leitung von Dr. Konstantinos Kalogeropoulos ist »Zeppelin« ein wirklich sehens- und hörenswertes Musical geworden, dessen wunderbare Musik berührt und auch mitreißt, seien es Balladen wie ›Ich hab‘ gelebt‹, ›Der Sinn des Krieges‹ (von erschreckender Aktualität), ›Wo du bist, will ich sein‹ (das wunderschöne Liebesduett zwischen Ferdinand und seiner geliebten Bella, sympathisch und mit schöner Stimme dargestellt von Stefanie Gröning) oder das sehr berührende ›Immer noch‹ (in dem die vier Frauen auf der »Hindenburg« ihre jeweilige verlorene Liebe beklagen – Hanna (Maria Meßner), welche gerade ihren Mann verloren hat; Kathy Wigman (Kathryn Wieckhorst), eine amerikanische Journalistin; Lilly van Hoeven (Madeleine Haipt), eine berühmte UFA-Schauspielerin, die sich gerade von ihrem Nazi-Ehemann (rollendeckend abscheulich: Florian Soyka) getrennt hat und jetzt von ihrer neuen Liebe, dem Pianisten Paul (Michael Thurner mit liebenswerter Art), träumt; und Emmy (Misha Kovar), welche als Jüdin nach Amerika flieht und ihr altes Leben zurücklassen muss). Dies tut sie mit Hilfe von Dr. Hugo Eckener, gespielt von Jens Rainer Kalkmann, der auch als Erzähler fungiert und eine der wenigen Personen im Stück ist, die tatsächlich gelebt haben.

Foto: Ingrid Kernbach

Ebenso können aber auch die richtig große Shownummern wie ›KaDeKo‹, ›Wiener Roulette‹ (eine böse Nazi-Parodie), ›When you‘re on top‹, ›Hindenburg“ (das an ›Gute Fahrt, Titanic‹ aus dem gleichnamigen Musical erinnert) oder „Don’t you know New York‹ (Kathy Wigmans Liebeserklärung an ihre Heimatstadt) glänzen, so dass sowohl den Herzen als auch den Augen der Zuschauer viel geboten wird.
»Zeppelin« bietet rundum beste Unterhaltung und eine aufsehenerregende Show. Ein Besuch lohnt sich.

Foto: Ingrid Kernbach