CD des Monats: Juni 2024

Die Königinnen 
Original Linz Cast 2024

Das Levay/Kunze-Musical »Lady Bess« erzählt die Jugend der englischen Königin Elizabeth I. bis zu ihrer Thronbesteigung. Der Fokus lag dabei auf dem Konflikt mit »Bloody« Mary, ihrer fanatisch katholischen Halbschwester und Vorgängerin auf dem Thron. In Linz brachten Henry Mason (Buch und Liedtexte) und Thomas Zaufke (Musik) nun quasi die Fortsetzung auf die Bühne: »Die Königinnen« behandelt die Rivalität zwischen Elizabeth und ihrer Großcousine Maria Stuart, Königin von Schottland (und kurzzeitig von Frankreich). Beide haben einen Anspruch auf den englischen Thron, weshalb Maria zeitlebens eine gewisse Bedrohung für Elizabeths Herrschaft darstellte. Als Maria der Beteiligung an einem Mordkomplott gegen die englische Regentin bezichtigt wird, wird Elizabeth von ihren Beratern und vom Parlament dazu gedrängt, die Rivalin hinrichten zu lassen – ein Befehl, den sie erst nach langem Zögern unterzeichnet.
Henry Mason (der gemeinsam mit Thomas Zaufke für Linz schon das großartige »Der Hase mit den Bernsteinaugen« verfasste) erzählt diese Geschichte rückblickend vom Hinrichtungstag aus. Die historischen Verwicklungen, Machtintrigen, Mordanschläge und Verschwörungen verknüpft er zu einem spannenden Thriller über zwei Frauen, die sich ›Auf dem Parkett der Politik‹, wie ein Song treffend heißt, zwischen lauter Männern behaupten müssen.

Thomas Zaufke ließ sich von dieser Handlung zu einer seiner bisher besten Leistungen inspirieren. Seine Partitur greift die Thriller-Elemente des Librettos auf, sorgt mit markanten Rhythmen und brodelnden Harmonien für Dramatik und Spannung, setzt immer wieder auf die große Geste, spinnt weite Melodiebögen und bleibt dabei stets dicht an der Situation und den handelnden Figuren. Das bedeutet zwar, bis zu einem gewissen Grad auf »Highlights« im Sinne auch aus dem Kontext herauslösbarer Songs zu verzichten. Die dramaturgische Dichte der Komposition entschädigt dafür aber hinlänglich. Die (lange!) Spieldauer der CD fliegt förmlich am Hörer vorbei, und man möchte sich direkt auf den Weg nach Linz machen, um das Werk auf der Bühne zu erleben. Zahlreiche packende Ensemblenummern (etwa ›Die Order‹, ›Finale Akt I: Die Explosion‹ oder ›Das Babington-Komplott‹) bilden die Grundpfeiler der Partitur, mitreißende Soli und Duette (›Letzter Auftritt Maria Stuart‹, ›Dein Sohn‹, ›Loreley‹, ›Finale II – Wie Königin geht‹) sorgen für Abwechslung. Markus Syperek sorgte für die kongeniale Instrumentierung, schöpft mit dem Bruckner Orchester unter dem leidenschaftlichen Dirigat von Tom Bitterlich aus dem Vollen und lässt dieses Werk, das bisweilen angenehm an die große Zeit der durchkomponierten »Musical-Opern« in den 1980er/1990er Jahren erinnert, in allen Facetten leuchten.

Alexandra-Yoana Alexandrova (Maria Stuart) und Daniela Dett (Elizabeth I.) liefern sich hier darstellerisch und gesanglich ein furioses (Fern-)Duell. Ihre Auftritte gehören ganz klar zu den Höhepunkten des Albums; sie schaffen es, diese beiden Figuren in ihrer Komplexität erfahrbar zu machen. Vor allem Dett überzeugt in ihrem beharrlichen Zögern, die Kontrahentin hinrichten zu lassen. Fast alle anderen Castmitglieder spielen jeweils mehrere Rollen und tragen zu einer insgesamt vortrefflichen Ensembleleistung bei. Solistisch auf sich aufmerksam machen u.a. Christian Fröhlich (William Cecil), Sanne Mieloo (Marie de Guise) oder Lucius Wolter (Lord Darnley).

Bleibt noch lobend hervorzuheben, dass (wie von Linzer Castaufnahmen mittlerweile nicht anders gewohnt) die CD mit einem umfangreichen Booklet daherkommt, das neben allen Liedtexten auch eine Synopsis enthält, so dass man sich umso besser in diesen mitreißenden Geschichtskrimi vertiefen kann.

Fazit: Spannender historischer Musicalthriller mit packender Musik.

CD im Jewel-Case
Gesamtlaufzeit: 77:08 min.
36-seitiges Booklet mit Synopsis, Credits, Songtexten und Fotos