Vier Jahre lang lag das Stück in der Schublade und feierte nun endlich seine immer noch brandaktuelle Premiere. Das Buch (Tom Van Hasselt) ist sehr um die Ecke gedacht und die Story, bei aller Liebe zur Satire, etwas kurios und dünn, sodass gleich von Beginn an klar wird, das wird kein kommerzieller Gute-Laune-Theaterabend, sondern eine besondere Form der Unterhaltung. Gemessen an den kleineren, aber sehr liebevollen Produktionen des Schmidtchen, wie z.B. «Jana und Janis» oder der «Operette für zwei Schwule Tenöre», ist vor allem eines sofort zu bemerken, was hier und heute anders läuft, und das ist: die Musik! Tom van Hasselts Melodien wollen einfach nicht ins Ohr gehen. Ständige Rezitative wie z.B. ‹Dreck, Dreck, ich mag Dreck› oder ‹Märchenland, komm wir gehen jetzt ins Märchenland› (die Songs heißen wirklich so – ‹Dreck› oder ‹Märchenland›) und Songtexte wie:‹ Wie schmeckt Cola?› tragen eben nicht bei jedem Zuschauer der Uraufführung zu künstlerischen Geschmacksexplosionen bei.
Die sozialkritische Musical-Satire handelt von einer Insel im Pazifik, die keiner kennt und die zu 100% aus Müll besteht. Auf dieser Insel lebt Johanna (Kathrin Finja Meier) zusammen mit ihrem Vater (Markus Schöttl) und ihrem Adoptivbruder Freitag (Patrik Cieslik). Die Darstellerin und die Darsteller schlüpfen blitzschnell in andere Rollen und besonders Patrik Cieslik mach seine Sache dabei richtig gut und bringt Leben auf die Insel und in das triste und von Plastik dominierte Leben von Johanna. Dieses kleine, aber sehr professionelle Ensemble schafft es mit unglaublicher Präzision und in einem unglaublichen Tempo, die wilde Geschichte voranzutreiben und mit ihrer Spielfreude zu überzeugen (Regie: Marco Krämer- Eis). Viel Platz haben sie dabei nicht, um die schönen, aber sehr minimal gehaltenen Choreografien von Bart de Clercq zu tanzen. Mareike Göldner und Meike Gerstenberg schaffen mit ihrem angeschrägten weißen Quadrat, das als Spielfläche dient, umrahmt von Tüten, Plastikteilen, Spielsachen und Figuren, ein äußerst spannendes Bühnenbild. Sehr unterhaltsam war der niedliche Einsatz von verschiedenen Handpuppen (z. B. Erni und Bert und Arielle).
Die Kostüme von Verena Polkowski machen Spaß, so zum Beispiel der lange Mantel des Vaters, auf dem diverse Musikbands verewigt wurden und an seine Liebe zu Vinyl erinnern, genauso wie die Raumfahrtanzüge des Sprengteams. Die Maske von Sophia Mey stattet das Team mit vielseitigen Perücken und Kopfbedeckungen aus. Angelo Spiegel & Oliver Goldberg leuchten gekonnt, wie immer in hoher Qualität des Hauses, aus und schaffen schöne Lichtmomente.
Wer sich auf Satire und Müll einlassen möchte, ist bei «Trash Island» gut aufgehoben und hat noch die Chance, die Produktion bis ins Frühjahr 2025 hinein an verschiedenen Spielterminen anzuschauen und der Musical-Müllverwertung beizuwohnen. Ein gutes Buch, schöne Melodien und Texte sind eben genauso vielfältig wie Müll. Dem einen gefällt dies, dem anderen das. Das Team von «Trash Island» hat zumindest alles getan, um das aus dem Stück herauszuholen, was aus dem Buch herauszuholen ist.
https://www.tivoli.de/programm-tickets/trash-island
Die ausführliche Kritik zu diesem Stück erscheint in der Ausgabe 131 / 05_2024.