Das im September 2024 eröffnete Stella Theater unter dem Café Prückel (Intendanz Christoph Schobesberger und Joséphine Striebeck) präsentiert im Rahmen seiner »Werner Richard Heymann Tage« mit der Operette »Kiki vom Montmartre« eine echte Rarität. Die Uraufführung an der Komischen Oper Berlin im Jahre 1933 wurde von den Nazis verhindert, das Stück wurde erst ein Jahr später in Wien uraufgeführt. Zu dem Zeitpunkt befand sich Werner Richard Heymann allerdings bereits in Amerika im Exil. Erst am 5. Juni 1954 feierte es, damals noch unter dem Titel »Dame Nr.1 von rechts«, Premiere am Stuttgarter Staatstheater.
Nun haben sich Regisseurin Katja Wolff, Autor Carsten Golbeck und Darstellerin Nini Stadlmann zusammengetan und daraus ein Solostück gemacht, das nun am Wiener Stella Theater uraufgeführt wurde. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Carsten Gerlitz, der auch als Pianist fungiert.
Die Handlung ist relativ einfach erklärt: Die naive Kiki, die meist mit ihrer Ziehharmonika durch die Straßen von Paris schlendert, strebt eine große Bühnenkarriere an und betritt eines Tages ein großes Theater. Dort landet sie inmitten der Proben einer bevorstehen Revue und trifft nicht nur auf den Theaterdirektor Max, sondern auch auf die Diva Charmaine, die alles andere als einfach ist. Für die große Karriere hat es leider nicht gereicht, aber nach einigen Dramen findet Kiki wenigstens ihre große Liebe und die Diva Charmaine auch. Das mag zwar nach einer typischen Operette klingen, aber in dieser Produktion schlüpft Nini Stadlmann nicht nur in alle Rollen und singt und spielt alles selbst, sondern das ganze wird noch als Stück im Stück präsentiert: Kiki ist nicht nur die Protagonistin des Stücks, sondern auch die Erzählerin oder eher die Beobachterin, die immer wieder von einer Handlungsebene in die andere wechselt, aber sie tut dies so, dass man der Handlung gut folgen kann.
Das Stück beginnt damit, dass sie und Pianist Carsten ins Stella Theater gekommen sind und keiner vom Ensemble und vom Orchester da ist, also beschließt sie, die Operette allein zu spielen. Der Pianist steht daraufhin auf und ärgert sich, dass keiner vom Orchester da ist, und folgt Kikis Vorschlag, allein zu spielen. Die Eröffnungsnummer, ein Musette-Walzer, endet sogar mit den Worten »das Stück beginnt«, was sehr treffend ist, vor allem, weil hier ein Stück im Stück gespielt wird.
Nini Stadlmann spielt sich also durch die verschiedensten Rollen, vom Theaterdirektor Max bis zur Diva Charmaine, bis zur nervigen Soubrette, zum Diener Jean-Pierre und dem namenlosen Theatermäzen und singt dabei auch alle Lieder. Hier kann Stadlmann ihr vielseitiges Können unter Beweis stellen, nicht nur mit ihrer ausdrucksstarken Stimme, sondern auch schauspielerisch. Noch dazu kann man der Geschichte gut folgen, was bei solchen Solostücken nicht immer der Fall ist. Besonders humorvoll zeigt sie sich als Theatermäzen, da holt sie die Wienerin in sich heraus und sorgt für Lacher. Aber auch als arrogante Diva Charmaine kann sie durchaus überzeugen. Zum Glück wirkt die Hauptfigur dadurch, dass sie auch die Erzählerin ist, nicht zu eindimensional. Dank der großen Bühnenpräsenz und der sympathischen Art zu spielen von Stadlmann ist genau das Gegenteil der Fall: Von Beginn an wird man ihre Welt entführt und möchte fast nicht mehr entfliehen. Auch die Auflösung, die typisch für eine Operette ist, wird hier sehr originell gelöst, denn sie gesteht, dass nun ein Abschiedsduett zwischen Max und Charmaine folgt, das sie aber nicht singen möchte. Man kann sich dadurch sehr wohl ein Bild davon machen, wie die Operette endet, aber in dieser Fassung wirkt alles etwas lockerer und humorvoller.
Auch musikalisch ist diese Inszenierung gelungen. Carsten Gerlitz begleitet bravourös seine Hauptdarstellerin und lässt diese schöne Musik von Werner Richard Heymann mit viel Gefühl erklingen. Besonders gelungen sind die Eröffnungsnummern der beiden Akte und die Traumsequenz mit einem Heymann-Medley, bestehend aus ›Das gibt’s nur einmal‹, ›Irgendwo auf der Welt‹ und ›Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen‹, das natürlich nicht aus dem Original stammt, aber dennoch eine schöne Ergänzung und ideal für Stadlmanns Stimme ist.
Eine humorvolle und liebevolle Inszenierung einer echten Rarität, die mit wenigen Mitteln (auf der Bühne befinden sich ein Hocker, ein Kissen und ein Notenständer mit Sonnenbrille und ein Bart, die je nach Bedarf eingesetzt werden) erzählt wird. Es ist nicht nur eine Neuinterpretation einer Heymann-Operette, sondern eigentlich eine Hommage an das Operettengenre. Hoffentlich ist das nur die erste von vielen Spielserien. Die Mitwirkenden hätten es jedenfalls verdient.
Das Stück wird noch heute und morgen gespielt:
https://www.stella-theater.at/programm/kiki-vom-montmartre/
