Eine bunte Jukebox und Darstellerinnen und Darsteller, die fröhlich winkend die Zuschauer:innen bei offener Bühne einladend begrüßen, das ist der Beginn von »& Julia« in Hamburg, einem spritzigen und wirklich brillant inszenierten Jukebox-Musical, das nicht nur mit den bekannten Hits von Britney Spears und den Backstreet Boys daherkommt. Die ganze Show ist ein energetischer Tanz auf dem Vulkan und ein starkes Plädoyer für Toleranz, Unabhängigkeit, Vielfalt und Selbstliebe – und ein Musical-Erlebnis, das die Zuschauer aus den Sitzen reißt.
1597: In Verona arbeitet Schriftsteller William Shakespeare (Andreas Bongard) gerade an seinem berühmtesten Werk: Romeo und Julia. Seine Frau, Anne Hathaway (große Stimme: Willemijn Verkaik), ist jedoch so gar nicht zufrieden mit dem tragischen Ende, das er für Julia vorgesehen hat. Warum sollte Julia ihr Leben aufgeben, nur weil Romeo tot ist? Könnte sie nicht auch einfach als starke und selbstbestimmte Frau aus dieser Tragödie hervorgehen? Diese Fragen bringen Shakespeare und Anne dazu, eine alternative Geschichte zu erschaffen, in der Julia einen ganz neuen Lebensweg beschreitet. Beide lassen so eine Erzählung mit neuen Charakteren entstehen, wie z.B. Julias non-binärem besten Freund May (stark: Bram Tahamata) und ihrer Amme Angélique (großartig gesungen von Jaqueline Braun), die selbst ihren Weg zum Glück sucht. Gemeinsam erkunden sie das Thema Selbstfindung auf vielschichtige Weise und mit jeder Menge Humor und oft überraschenden Wendungen.
David West Read. der das Buch geschrieben hat, gelingt es, die Vorurteile gegenüber dem Jukebox-Stil abzulegen, indem die Texte wirklich clever durchdacht wurden und mit starken Botschaften daherkommen. Anstatt dass die Handlung nur eine Kulisse für die Songs darstellt, sind die bekannten Pop-Hits (von Max Martin) nahezu nahtlos in die Erzählung eingebaut und durch frische Arrangements neu interpretiert. Unter der Regie von Luke Sheppard wird die Geschichte als lebendige und humorvolle Hommage an Shakespeares Klassiker flott weiterentwickelt und wie ein Rausch im Märchenwald erzählt.
Das Bühnenbild (Soutra Gilmour) vereint viele fröhliche Pop-Art-Elemente mit einem Hauch mittelalterlichen Designs.
Chiara Fuhrmann in der Rolle der Julia ist der Star des Abends. Ihre beeindruckende Bühnenpräsenz und die Fähigkeit, mühelos zwischen temporeichen Tanznummern und emotionalen Balladen zu wechseln, verleihen ihrer Julia eine faszinierende Tiefe. Bram Tahamata glänzt als May, ein non-binärer Charakter, der ohne Klischees und voller Authentizität auftritt. Die Chemie mit François (gespielt von Oliver Edward) sorgt für eine berührende und natürliche Darstellung der ersten Liebe und kommt ohne Fremdschämen aus.
Carlos de Vries bringt als François’ charmanter und leidenschaftlicher Vater Lance die Zuschauer mit einem Mix aus französischem Akzent und einer humorvollen Interpretation der Rolle zum Lachen (›Shape of my heart‹ ist einer dieser starken Momente). Jaqueline Braun glänzt als Julias Amme Angélique, die vielschichtig zwischen ihrer Verantwortung für Julia und ihrem eigenen Glückspfad steht. Mit ›Fuckin‘ Perfect‹ schafft sie gegen Ende des Stücks einen Gänsehautmoment.
Willemijn Verkaik als Anne Hathaway gelingt ein weiteres Highlight des Abends. Ihre schräg-humorvolle Darstellung und ihr stimmliches Talent verleihen der Rolle Tiefe und sorgen immer wieder für gute Stimmung im Publikum. Ihre Interpretation von Celine Dions ›That’s the Way It Is‹ sorgt ebenfalls für Gänsehaut und bleibt unvergesslich.
Romeo (Raphael Groß) taucht im weiteren Stückverlauf doch wieder auf (bzw. schwebt von der Decke ein), wird von denen anderen Jungs aber als Schwächling, bzw. »Lauch« verhöhnt, buhlt aber nach wie vor um das Herz seiner Angebeteten.
Die Band des Operettenhauses unter der Leitung von Philipp Gras spielt flott und dynamisch auf und sie ist vor allem in ein so noch nie gehörtes Sound-Setting von Gareth Owen gepackt ‒ das macht richtig Spaß!
Die Kostüme von Paloma Young schaffen den Spagat aus alter Zeit hin zu modernem Pop-Art und vereinen alle Elemente, ohne das Spiel der Cast zu stören. Der Gesamteindruck ist großartig und sehr detailverliebt, es fängt z. B. bei Julias Socken an und hört beim phänomenalen Glitzeroutfit auf.
Diese Cast macht großen Spaß und absolviert die schweißtreibenden, aber gut platzierten Chorografien von Jennifer Weber, die die Geschichte tänzerisch krönen und unterstützen. Unbedingt anschauen!
Dies ist eine verkürzte Rezension, die Vollständige können Sie in der kommenden Ausgabe 132 / 06-24 unserer Zeitschrift lesen.