Nach der ersten Spielzeit im April/Mai dieses Jahres im »Musical off Wien«-Theater, dem Theater 82er Haus in Gablitz, wechselt das Stück nun für die Sommersaison an die Tschauner Bühne in Wien. (Wir haben bereits in der Ausgabe 03/25 darüber berichtet.) Allen Besuchern ist das Stück ans Herz gelegt, denn das Ensemble bringt wirklich eine großartige Leistung und es ist unglaublich unterhaltsam!
»Der eingebildete Kranke« wurde 2016 uraufgeführt und stammt aus der Feder von Florian Stanek. Der als Schauspieler, Sänger, Buchautor und Liedtexter bekannte Künstler erhielt 2018 den Deutschen Musical Theater Preis als bester Hauptdarsteller. Er schrieb das Buch und die Liedtexte für »Der eingebildete Kranke«. Die musikalische Umsetzung stammt von Sebastian Brand, ebenfalls Sänger und Schauspieler. Stanek & Brand wurden 2016 und 2018 beim MUT-Autorenwettbewerb des Münchner Gärtnerplatztheaters mit dem Medien- und Publikumspreis ausgezeichnet. Diese Qualität, die beide mitbringen, merkt man dem unterhaltsamen Stück auch an.
Bei dem Kuraufenthalt darf der Patient ‒ äh Zuschauer ‒ sich erst einmal zurücklehnen, um zu verstehen, wo er eigentlich gelandet ist: Die Tschauner Bühne ist ja gleich ums Eck von der fiktiven Spielstätte des Stücks, direkt beim Flötzersteig in Wien. Denn hier steht das »Kurhotel St. Moritz« – nicht wie naheliegend in der Schweiz.
Das Bühnenbild ist recht einfach gehalten, es gibt das Patientenzimmer mit Bett und kleinem Tisch. Alles ist in Weiß gehalten, funktional und ohne Schnickschnack. Krankenschwester Toni meint, dies gehöre zur Detox-Kur. Es gibt mehrere Möglichkeiten für Auf- und Abtritte durch verschiedene Türen oder auch mal ganz unkompliziert durch den Zuschauerraum. Das sorgt wie im klassischen Volkstheater für vorhersehbare Ereignisse, die Story hat aber dann noch ein paar überraschende Wendungen parat. Und auch auf der Tschaunerbühne passt das Bühnenbild sehr gut. Im Theater 82er Haus hat es nur noch familiärer gewirkt, weil man als Zuschauer viel näher dabei ist.
Die Musik geht leicht ins Ohr und man beginnt gleich, ein wenig mitzuschunkeln. Schon bei der Eröffnungsnummer ›Krank zu sein, einfach krank zu sein, ist das Schönste, was es gibt!‹ wird das Publikum mit eingebunden und dies sorgt von Beginn an für eine gute Stimmung und reißt alle in den Bann. Neben einigen schwungvollen Ensemblenummern (etwa ›Viel Spaß beim Sterben‹) gibt es auch das eine oder andere kitschige Solo oder Duett. Und auch hier wird mit Klischees nicht gespart, etwa wenn Angelika und Clemens von ihrer Zukunft im Schnee träumen … Ein Highlight ist auch Melitta Meinbach-Wagners ›Champagner‹, als sie den vermeintlichen Tod ihres Gatten besingt und von tiefer Trauer in Sekundenschnelle auf Partystimmung mit Champagnerlaune wechselt. Fantastisch umgesetzt von Sascha Ahrens in dieser Rolle.
Die Story ist an das bekannte Theaterstück von Molière angelehnt. Allerdings wurde hier ein breiter Interpretationsfreiraum gelassen. Ein bunter Strauß aus Intrigen, Machtspielen, Verwirrung und Vertuschung wird geboten, einige Knospen an (echtem?) Liebesdrama, und das Ganze umrahmt von floraler, ähm, flotter Musik. Dargestellt wird das alles samt passender Choreografie (Rita Sereinig) von einem engagierten Ensemble, das nicht nur musikalisch, sondern besonders spielerisch überzeugt. Rasch lernt man die unterschiedlichen Charaktere kennen und lieben – oder manche eher hassen? Das ganze Ensemble bietet neben der Spielfreude besonders viel Talent für Komik. Und gerade dann, wenn etwas komisch angelegt ist, gehört noch mehr Professionalität zum guten Handwerk, um es gut an das Publikum weiterzugeben.
Die Handlung ist flott inszeniert, einige Verwirrung kommt auf und es wird viel mit Klischees gespielt, ab und an auch leicht überzogen. Dazu kommt noch das permanente Krankheitsbild, das hier vermittelt wird und auch dem Publikum aktiv angepriesen wird (»Buchen Sie jetzt gleich ihre Magenspiegelung!« etc). Auch vor der Show wurden schon Durchsagen abgespielt. Dies sorgte erst für Verwunderung, war aber eine unterhaltsame Sache.
Wie schon angedeutet, ist die Besetzung wirklich gelungen. Ganz besonders gut setzt Marina Petkov als Krankenschwester Toni ihre Rolle um. Die Pflegerin steht dem Patienten stets (mehr oder weniger) engagiert zur Seite – mit Rat, Tat und einem Augenzwinkern. Wunderbar, ihr dabei zuzuschauen, denn sie spielt mit viel Mimik und wirbelt die Bühne auf. Der Hypochonder Axel wird von Martin Oberhauser gespielt, der sehr authentisch leiden und nörgeln kann. Seine Rolle gibt sehr viel her, was Oberhauser gut umsetzt und wodurch er gut auf seine Kolleg:innen eingehen kann. Seine mittlerweile zweite Gattin, Melitta Meinbach-Wagner, ist mit Sascha Ahrens bestens besetzt. Sie verkörpert die Rolle der gierigen und Intrigen treibenden Gattin grandios und sorgt für einige Aufregung durch ihr falsches Spiel. Versteckt sie doch den teuren Schmuck in der Tasche von Clemens, um ihn als Dieb dastehen zu lassen und ihn so loszuwerden. Angelika, die Tochter von Axel, durchschaut das Spiel ihrer Stiefmutter. Doch glaubt Axel eher seiner Frau und will seine Tochter dann auch noch mit Harald Henkelmann – dem Sohn des Professors und Medizinstudent – verheiraten. Axel hätte so gerne einen Arzt in der Familie, mit Harald wäre der Professor ja dann auch praktisch dabei. Angelika jedoch ist in Clemens verliebt – ausgerechnet in den Sohn von Axels Erzfeind. Die Figur der Angelika durchlebt verschiedene Gefühlsschwankungen im Laufe des Stücks; sehr authentisch setzt Sarah Baum diese Rolle um. In der Rolle des Professors Henkelmann, umtriebiger Chef der Klinik, darf das Publikum sich auf Markus Richter freuen, der pointiert seinen Professor mit der gewissen Leichtigkeit in die Story einbettet und versucht, alle Fäden in der Hand zu halten. Ihn unterstützen dabei die beiden Ärztinnen Dr. Raff (Ilvy Schultschik) und Dr. Gier (Anja Štruc). Richter ist auch für die Regie und musikalische Leitung zuständig. Bemerkenswert ist die Leistung von Alexander Mikliss, der gleich zwei komplett unterschiedliche Figuren mit Bravour meistert (Clemens Krämer / Harald Henkelmann), schauspielerisch und auch insbesondere gesanglich. Herrlich ist die Unbeholfenheit von Harald Henkelmann, gemeinsam mit dem hessischen Dialekt.
Also, einem unterhaltsamen Abend steht nichts mehr im Weg! Versicherungskarte nicht vergessen. (ohne Privatversicherung kann man sich den Eintritt auch rezeptfrei unter www.tschauner.at buchen)!

