CD des Monats: Oktober 2024

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Ein wenig Farbe

Original Wien Cast 2024

Mit seinem Musicalmonolog »Ein wenig Farbe« hat Autor und Komponist Rory Six nach »Wenn Rosenblätter fallen« ein weiteres Werk geschaffen, das einen Nerv trifft und schon mehrfach nachgespielt wurde. CD-Aufnahmen liegen von der 2018 erfolgten Uraufführung mit Pia Douwes sowie einem 2022er Revival mit Rory Six selbst vor. Die Geschichte von Helena, die als Klaus im falschen Körper geboren wurde und in der Nacht vor der geschlechtsangleichenden Operation ihren bisherigen Lebensweg Revue passieren lässt, kann sowohl von einem Mann als auch einer Frau gespielt werden; der bewegende Transgender-Stoff hält gekonnt die Balance zwischen Dramatik, Sentiment und Humor.

Bei der jüngsten Aufführungsserie schlüpfte nun Musicalstar Mark Seibert in die Figur von Klaus/Helena (und diverse Nebenrollen in Personalunion). Zum Glück ist auch seine Interpretation als CD-Aufnahme festgehalten worden. Der sonst auf Hauptrollen in Großproduktionen abonnierte Darsteller beweist mit seiner Leistung in diesem kleinen, feinen Kammermusical, welche künstlerische Weiterentwicklung er im Lauf der letzten Jahre durchlaufen hat. Dass Seibert die melodiöse, zwischen Chanson und Pop changierende Partitur (mit so schönen Liedern wie ›Ein Wunder passiert‹, ›Ein wenig Farbe‹, ›Helena‹ oder ›Verborgen‹) mühelos singen kann, ist keine Überraschung. Er verleiht den Songs von Rory Six jederzeit den angemessenen Ausdruck, trumpft mal kraftvoll auf, nimmt sich aber immer wieder auch zurück, lässt eine Fragilität und dank gezielt eingesetztem Falsett auch eine feminine Note in seiner Stimme zu, die die Bühnenfigur und ihren inneren Konflikt plastisch greifbar werden lässt. Dank der enthaltenen Dialogpassagen kann man sich zugleich ein Bild von der schauspielerischen Wandlungsfähigkeit machen, die Mark Seibert in die Rolle einbringt. Er nimmt den Zuhörer mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Selbstzweifeln und –verachtung, Hoffnung und Verzweiflung. Durch subtile, aber effektive Änderungen in Haltung, Ausdruck und Timbre wechselt er zudem von einem Augenblick zum anderen die Charaktere, etwa vom Therapeuten zu Klaus/Helena und zurück oder in der Tour-de -force-Nummer ›Showdown‹ gleich zwischen einer ganzen Reihe von Personen mit jeweils eigener Stimmfärbung und/oder Akzent. Vor diesem eindrucksvollen, facettenreichen und berührenden Charakterportrait in so einem fordernden Ein-Personen-Stück kann man nur den Hut ziehen.

Mark Seiberts Leistung wäre schon allein Grund genug, dieses Album in die Sammlung aufzunehmen, selbst wenn man schon die vorherigen Fassungen besitzt. Aber Rory Six ergriff die Gelegenheit, die sonst übliche Fassung für eine kleine Combo zu erweitern und seine Musik für ein 21-köpfiges Orchester neu zu instrumentieren. Die zahlreichen Nuancen, die hier von Flöte, Oboe oder Horn hinzugefügt werden, sind dabei ebenso ein Gewinn wie der rhythmische Drive oder die emotionalen Effekte, die man eben nur mit einer vollständigen Streichergruppe erzielen kann. So liefert Six mit dieser Produktion ganz nebenbei eine weitere Bestätigung dafür, dass kein noch so guter Synthesizer den Klang echter Instrumente ersetzen kann.

Fazit: Ein Mark Seibert in Hochform und ein enormes musikalisches Upgrade – die definitive Aufnahme von Rory Six‘ Musicalmonolog.

CD im Jewel-Case

Gesamtlaufzeit: 52:30 min.

4-seitiges Booklet mit Credits, Liner Notes und Fotos

Songliste:

  • 1. Ein Wunder passiert
  • 2. Auf seinem Sofa
  • 3. Ein wenig Farbe
  • 4. Wärst Du heute hier
  • 5. David Steiner
  • 6. Die Lüge meines Lebens
  • 7. Helena
  • 8. Ein wenig Farbe (Reprise)
  • 9. Verborgen
  • 10. Ich wünschte so sehr. du wärst hier
  • 11. Showdown
  • 12. David Steiner (Reprise)
  • 13. Nie mehr verborgen