Ein schaurig schöner Abend – »Die Tschauners«

Foto: Sigrid Mayer

Die Crew der Tschauner Bühne hat die nächste Eigenproduktion an den Start geschickt und wieder einen wahren Treffer gelandet. Blickpunkt musical war zur Preview (am 25.6.2024) der neuen Produktion »Die Tschauners« dabei, als die Rakete ihre Reise aufnahm und schaurige Lachtränen im Publikum verteilte. Vor kurzem hat man die Bestattung Wien als Pate für das Stück gewonnen – das passt sprichwörtlich wie der Deckel auf den Sarg: Das Stück ist zum Totlachen. Freunde des schwarzen Humors und morbider Anspielungen, die für ein paar Stunden den Alltag vergessen wollen, werden hier von der ersten Sekunde an bestens unterhalten – und das für alle Sinne!
Die Story ist eine skurrile Mischung aus der »Addams Family«, »Monster Herman« und »Rocky Horror Show«, Ähnlichkeiten sind vermutlich nicht rein zufällig entstanden ;-). Dazu sind noch einige eigene Ideen eingestreut und gekonnt umgesetzt. Auch die Musik erinnert an die erwähnten Shows, teilweise neu interpretiert und vermischt mit einem guten Schuss beliebter Rock- & Popmusik und Dance Hits des letzten Jahrtausends.

Foto: Bettina Frenzel

Familie Tschauner lebt jahrelang wie im Schlaraffenland auf ihrem Anwesen am Rande von Wien und muss sich keine Sorgen machen, bis plötzlich das Erbe von Tante Monika aufgebraucht ist und die Schwestern von der Klosterbank Melissengeist eine aller-aller-allerletzte Mahnung schicken – nun muss die Familie schauen, wie sie zu Geld kommt, und versucht es das erste Mal in der Familiengeschichte mit Arbeit. Da sie keine Ahnung davon haben, kommt das Pärchen Janet und Brad, die unerwartet um einen Schlafplatz gebeten haben, da sie eine Autopanne hatten und glücklicherweise das Haus mit dem Licht gefunden haben, gerade recht. Aus Dankbarkeit unterstützen sie die Familie, die ihnen das Gästezimmer überlassen hat, sich in der Welt der Arbeit zurechtzufinden, und gemeinsam entwickeln sie einige Ideen für die Beschäftigung der Familienmitglieder. Und so schmieden alle zusammen Pläne, um das Anwesen und das Haus behalten zu können. Besonders der Tochter ist es ein Anliegen, den alten Familienbesitz behalten zu können. Durch ein Missgeschick von Adam Tschauner in der Küche fliegt leider das ganze Haus in die Luft und er verliert dabei sein Leben. Die Familie, die nun ohne Familienoberhaupt dasteht, findet glücklicherweise erst einmal Unterschlupf beim Nachbarn Hermann. Dieser hat seinen Monster-Supermarkt glücklicherweise direkt in der Nähe. Hermann ist etwas seltsam und mit den Gästen überfordert – wie scheinbar auch mit anderen Dingen im Leben. Und zu allem Übel kommt dann noch der Beamte der Stadt Wien, der eine Überprüfung des Supermarktes durchführen möchte, und so nimmt das kuriose Spiel seinen Lauf.

Foto: Bettina Frenzel

Ja, es ist ein Klamauk. Aber dieser ist hochwertig, gut gemacht und wird live dargeboten – es gibt nur eine Chance, die Pointe zu setzen, und das schafft das Ensemble bravourös. Bei jeder einzelnen. Es schenkt dem Publikum durch die Darstellung von einzigartigen Charakteren, die nicht besser gemacht sein könnten, eine schaurige Unterhaltung. Unterstützt wird das starke Ensemble durch das gut bewährte Leading-Team, um ihre Figuren so gut umzusetzen zu können: Die Kostüme (Sigrid Dreger), das Make-up und die Perücken (Monika Krestan), das faszinierende Bühnenbild (Petra Fibich-Patzelt), welches durch die Lichteffekte unglaublich wandelbar ist, die vielseitige Choreographie (Lilly Kugler-König) und die musikalische Leitung aus der Hand von Markus Richter. Das Buch ist Thomas Schreiweis zu verdanken, auf der Bühne umgesetzt und mit dem richtigen Timing versetzt hat es Magda Leeb als Regisseurin.
Mit von der Partie sind Valerie Bolzano als Tochter, die leider nie einen Namen von ihren Eltern bekommen hat. Dies soll sich aber noch als sehr hilfreich herausstellen.. Bolzano trifft die »Leck mich«-Einstellung der Teenagerin hervorragend und spielt mit den restlichen Charakteren ihr Spiel. Die Tante hat keine Chance bei ihr, Hermann ist bei ihr in guten Händen und seines Lebens sicher – was nicht alle behaupten können…
Thomas Schreiweis als Adam Tschauner ist der verführerische Vater, der nur Augen für seine Frau hat. Die beiden, also Adam und seine Frau Conticia, sind noch immer sehr verliebt und haben fast nur Augen füreinander. Schreiweis bekommt den ersten Applaus, als er nur die Bühne betritt und in die Menge schaut. Seine abwechslungsreiche Darstellung und Wandlungsfähigkeit in der Rolle bringt Freude beim Zuschauen.
Durch einen tragischen Unfall verliert Adam leider sein Leben. Aber Schreiweis kehrt im zweiten Akt als Monster Hermann zurück und dieser sammelt viele Herzen beim Publikum, indem er einfach so ist, wie er ist: Ein Monster zum Liebhaben, etwas naiv, aber sehr engagiert darin, alle glücklich zu machen. Ob er auch ein guter Geschäftsmann ist, wird sich dann noch im Spielverlauf zeigen.

Foto: Bettina Frenzel

Als Grande Dame des Abends begibt sich Jürgen Kapaun als Conticia Tschauner auf die Bretter, und das in High Heels. Sein langes schwarzes Kleid, eine atemberaubende Frisur und verführerisches Make-up lassen ihn leuchten und glitzern. Wer schon andere Stücke mit Kapaun wie etwa »Tschauner Enterprise« gesehen hat, weiß, wie gut er in kleinen Gesten und mit viel Wortwitz tief in die Charaktere einsteigt und alles rausholt, was geht. Bei »Enterprise« noch als Käpten Jörg ist er als „Conchita Lookalike“ Conticia nicht minder schön. Und das spielt er aus bis zum Letzten. Klischees wurden praktisch für ihn erfunden, damit er mit ihnen spielen kann. Dazu kommt die gesangliche Leistung, wie etwa in ›All by Myself‹ im zweiten Akt, als er ‒ mit der als Urne dienenden Konservendose in der Hand – seinem Schmerz über den Verlust von Adam Ausdruck verleiht. Es ist jedes Mal eine Freude, ihn zu erleben.
Als Schwester von Conticia darf das Publikum Eva D. als Morbida Knacker erleben. Sie schmettert stimmgewaltig die Töne nur so um sich. Morbida kommt einmal im Jahr nach Wien, um ihr Sommerkonzert zu geben – und sich ein wenig durchzuschnorren. Sie hat ein oder auch zwei Augen auf Hermann geworfen und versucht das naive Monster mit ihrer Stimme und ihrem Körper für sich zu gewinnen. Morbida liebt die Musik und ebenso tut es auch Eva D. Schauspiel, Tanz und Gesang vereint Eva auf so hohem Niveau, dass sie es dann auf der Bühne als Parodie so gut wiedergeben kann.
Die Besucher der Tschauners, die sich aus der »Rocky Horror Show« verirrt haben, werden herrlich von Isabel Meili (Janet) und Bernhard Viktorin (Brad und Mag. Magistrat) wiedergegeben.
Meili bringt der Janet mit ihrem Schweitzer Akzent ganz neue Seiten und versteht es, das Publikum für sich zu gewinnen. Sei es, wenn sie jodelt, flucht oder sich um die „Rabattmärkli“ bemüht und alle Menschen gerne beisammenhat und niemandem etwas Böses will. Zusammen mit Viktorin bringt sie bei der Ankunft eine super schnelle Rocky-Horror Zusammenfassung, dass es schwer fällt, den beiden zu folgen. Die beiden ergänzen sich und harmonieren herrlich, so manche beliebten Musicalssongs geben sie gemeinsam wieder. Bernhard Viktorin ist auch als Beamter der Stadt Wien unterwegs und versucht seine Tour als »harter Mann«, merkt aber schnell, dass er da wenig Chancen hat und gibt klein bei. Als Brad findet er im Laufe des Abends sein wahres Ich. Sein Schauspiel ist perfekt im Ablauf und Pointen sitzen sicher. Auch gesanglich steht der Entertainer den anderen in nichts nach.

Foto: Bettina Frenzel

Das ganze Ensemble ist durch seine reichliche Erfahrung im Musicalbereich eine wahre Schatzkiste an Talenten, die unbedingt öfter genutzt werden sollten. Wie schon oft erwähnt, die Tschaunerbühne schafft es, eine angenehme Atmosphäre für Publikum und Künstler zu schaffen, und selten kann man dies so im Theater spüren und fühlen wie dort. Vielleicht liegt es an den fehlenden Wänden, dass die Energie von der Bühne praktisch über das Publikum fließen kann.

Zu sehen sind »Die Tschauners« nur bis Ende des Sommers, der Vorverkauf ist schon sehr stark und wer es nach Wien schafft, sollte sich noch rasch die letzten Karten auf

www.Tschaunerbühne.at sichern.

Die ausführliche Kritik zu diesem Stück erscheint in der Ausgabe 130 / 04_2024.