»Der kleine Horrorladen« im Alten Schauspielhaus Stuttgart

Foto: Ingrid Kernbach

Waren Sie schon in der Skid Row? Kennen Sie Mr Mushniks Blumenladen? Dort gibt es seit kurzem etwas Besonderes zu sehen: Eine seltsame Pflanze namens Audrey II, die Seymour Krelborn, der Angestellte von Mr. Mushnik, bei einem Chinesen gekauft hat. Und das auch noch während einer Sonnenfinsternis.
Seitdem Audrey II im Fenster des Blumenladens steht, boomt der Laden. Doch das Geheimnis der Pflanze kennt nur Seymour: Sie drohte einzugehen, bis er anfing, sie mit Blut zu füttern.
Seymour, heimlich verliebt in Audrey, die Angestellte von Mr. Mushnik, wird berühmt, die Pflanze wächst. Seit sie in Mr. Mushniks Laden ist, wendet sich alles zum Guten ‒ so wenigstens hat es den Anschein.
Die niedliche, etwas naive Audrey ist mit dem sadistischen Zahnarzt Orin zusammen, der ihr regelmäßig weh tut und sie demütigt. Ständig hat sie blaue Flecken und Blutergüsse. Natürlich findet der verliebte Seymour das gar nicht nett, aber was wäre die Lösung? Audrey II hat sie, denn, inzwischen mannsgroß, fängt sie an, mit Seymour zu sprechen. Sie will Blut, sie will Menschenblut, sie will Orin. Seymour ist entsetzt, aber dann überlegt er sich doch, den Zahnarzt in seiner Praxis zu besuchen. Und dann kommt es ganz anders als erwartet: Der Zahnarzt, der Seymour schon in seinem Behandlungsstuhl festgesetzt hat, stirbt an einer selbst verabreichten Überdosis Lachgas. Der Rest ist also einfach.

Foto: Ingrid Kernbach

Nachdem Orin weg und die Pflanze satt ist, hat Seymour freie Bahn bei Audrey. Doch schon ist der nächste Mensch auf der Speisekarte von Audrey II. Mr. Mushnik, der Besitzer des Ladens, entdeckt, was Seymour getan hat, und so lockt Seymour mit einer List Mr. Mushnik ins Maul der Pflanze.
Soweit ist die Geschichte des »Kleinen Horrorladens« sicher vielen bekannt, denn das Musical ist Kult und wird auf vielen Bühnen gespielt. Außerdem gibt es zwei Filme, den ersten aus dem Jahr 1960, den zweiten vom Macher der Muppet-Show, Frank Oz, aus dem Jahr 1986 (mit der Musik des Musicals).
Das spannende daran ist, dass die Filme unterschiedlich enden. Regisseur Klaus Seiffert, der in Stuttgart Regie führte, hat sich dazu entschieden, das Stück wie in der Musicalfassung (im Gegensatz zum Film) mit »Happy End« enden zu lassen, doch Happy End heißt in diesem Fall, dass die Pflanze alle frisst und alle in ihr wieder vereint sind. Ein gieriger Geschäftsmann nutzt die Chance, dass niemand außer der Pflanze im Laden ist, und lässt von Audrey II Ableger holen. So beginnt der Siegeszug der Pflanze rund um die Welt.
Das Musical »Der kleine Horrorladen« gehört in Deutschland zu den am meisten gespielten Musicals, was es vor allem der großartigen Musik verdankt. Lieder wie ›Der kleine Horrorladen‹, ›Downtown (Skip Row)‹, ›Jetzt hast du Seymour‹ oder ›Ich bin der Zahnarzt‹ sind echte Ohrwürmer. Dazu kommt die lustig-gruselige Geschichte, über die man lachen muss, obwohl eigentlich Menschen ermordet werden, auch wenn es zunächst nur die »Bösen« sind.

Foto: Ingrid Kernbach

Hinreißend gespielt und durch und durch glaubwürdig besetzt sind in Stuttgart alle Rollen, vom schüchternen Seymour (Oliver Morschel) über die naive Audrey (Dorothée Kahler) bis hin zum sadistischen Zahnarzt (Sven Olaf Denkinger), der sogar noch in die Rolle verschiedener Geschäftsleute schlüpft, die sich für Audrey II interessieren, und dem geschäftstüchtigen Mr. Mushnik (Martin König). Zwar fehlt diesem ein bisschen der jiddische Akzent, aber das tut dem Spaß keinen Abbruch. Daneben gibt es noch die drei Girls, die in der Skip Row wohnen, Crystal (Aswintha Vermeulen), Ronnette (Meimouna Coffi) und Chiffon (Giselle Ramsey). Sie sind nicht nur hübsches Beiwerk, sondern erzählen singend und tanzend die Geschichte.
Und natürlich ist da die Hauptdarstellerin: Audrey II, die Pflanze. Um sie zum Leben zu erwecken, bedarf es gleich zweier Personen, nämlich zunächst den Puppenspieler Lukas Schneider, der sie bewegt und der in der großen Pflanze »wohnt«. Er hat auf jeden Fall körperlich den härtesten Job.
Selbstverständlich hat Audrey II auch eine Stimme. Sie gehört zu Mario Mariano, der vehement »Fütter mich« oder »Gibs mir« fordert, aber auch singt. Er war auch für die Choreographien verantwortlich.
Das Bühnenbild, überwiegend der Laden von Mr. Mushnik, stammt von Tom Grasshof. Sehr eindrücklich ist aber auch die Zahnarztpraxis von Orin Scrivello gestaltet ‒ mit Schrecken fällt einem sofort der nächste Zahnarzttermin ein. Die Dramaturgie unter der Leitung von Annette Weinmann hat hier ganze Arbeit geleistet.
Unsichtbar für die Zuschauer sitzen unter der Bühne 5 Musiker unter der Leitung von Florian Kießling.
Die Regie übernahm der bekannte Musical-Spezialist Klaus Seiffert, der in Stuttgart schon viele Produktionen auf die Bühne gebracht hat, u.a. »Hair«, »Sugar« und »Comedian Harmonists«.
»Der kleine Horrorladen« im Alten Schauspielhaus in Stuttgart bietet vergnügliche Unterhaltung und macht viel Spaß. Geöffnet ist der er noch bis Mitte Juli. Und vergessen Sie bitte nicht, Ihre Pflanzen daheim zu füttern und mit ihnen zu reden, denn schließlich haben Pflanzen auch Gefühle.

https://www.theater-stuttgart.de/spielplan/der-kleine-horrorladen/