CD des Monats: Januar 2024 - Blickpunkt Musical

Der Glöckner von Notre Dame Original Wien Cast 2023

Es ist fast ein wenig schade, dass dieses Album erst nach dem Ende der Wiener Spielzeit veröffentlicht wurde. Dafür aber bietet die österreichische Einspielung von Disneys »Der Glöckner von Notre Dame« ein Alleinstellungsmerkmal, das sie von allen anderen erhältlichen CD-Fassungen der Show abhebt: Erstmalig liegt das Werk von Alan Menken (Musik), Stephen Schwartz (Songtexte) und Peter Parnell (Buch) als Gesamtaufnahme vor. Die 38 Tracks auf zwei CDs mit einer Spielzeit von rund 136 Minuten enthalten sämtliche Reprisen, Rezitative, Dialoge und Underscorings, die auf bisherigen Castalben der Schere zum Opfer fielen. Da der vom HitSquad-Label produzierte Live-Mitschnitt mit der von den Wiener Musical-Experten gewohnten Qualität aufwartet, steht einem akustischen Ausflug ins mittelalterliche Paris nichts mehr im Wege.

Von den ersten Tönen des Openings ›Olim‹ an sorgt die Geschichte des missgestalteten Quasimodo und seiner Liebe zur schönen Esmeralda, die vom finsteren Erzdiakon Claude Frollo mit fatalem Ausgang hintertrieben wird, für Gänsehaut und Spannung. Wie bei einem guten Hörspiel vergeht die Zeit wie im Flug. Leiden andere Gesamtaufnahmen dieser Art manchmal unter ausufernden Dialogen, so sind hier die Sprechpassagen fast durchgängig mit Musik oder atmosphärischen Soundeffekten unterlegt, so dass zu keiner Zeit Längen aufkommen. Die exzellente Abmischung (durch die erfahrenen Hände von Martin ‚Atomic‘ Bohm und Nina Böhm) der an drei Tagen im Mai 2023 im Ronacher mitgeschnittenen Vorstellungen lässt hinsichtlich der Klangqualität oft vergessen, dass es sich um Live-Aufnahmen handelt, lediglich der Applaus nach den großen Songs erinnert daran. Die Orchesterbesetzung wartet mit 23 Musiker:innen auf und gewinnt im Vergleich zur Berliner CD von 2017 vor allem durch den üppigeren Streicherklang.

Mit Quasimodo hat David Jakobs wohl eine der Rollen seines Lebens gefunden. Er verkörperte den Glöckner schon in Berlin und Stuttgart; hier hört man, dass er die Partie völlig verinnerlicht hat und sie mit jeder Faser ausfüllt. Wie er in den Dialogen den unbeholfenen, schüchternen und schwerhörigen Buckligen zum Leben erweckt, um dann in den Liedern, die sein Innenleben repräsentieren, umso stärker mit seinem strahlenden Tenor aufzutrumpfen, ist beeindruckend. An seiner Seite entpuppt sich Abla Alaoui als Idealbesetzung der Esmeralda. Gleichermaßen sympathisch wie energisch setzt sie sich für Quasimodo ein und wird zur tragischen Heldin. Mit glasklarer Stimme glänzt sie in ihren Songs. Dritter im Bunde der Hauptdarsteller ist Andreas Lichtenberger, der Claude Frollos asketische Strenge und fanatische Religiosität ebenso glaubhaft macht wie seine zunehmende Besessenheit von Esmeralda. Unterstützt von Mathias Schlung als agilem Clopin und Roy Goldman, der als Vertretung für Dominik Hees den Hauptmann Phoebus überzeugend spielt und singt, dürfte diese Solistenriege die bisher beste auf einer Castaufnahme dieses Musicals sein. Ein durch die Bank mitreißend und lebendig aufspielendes Ensemble sowie der große, klangvolle Chor aus Mitgliedern des Chorverbands Österreich runden den exzellenten Gesamteindruck des Albums ab. Nicht unerwähnt darf die durchweg sehr gute und vorbildliche Textverständlichkeit bleiben!

Somit kann man Alan Menkens nach wie vor wahrscheinlich beste Partitur nicht nur endlich vollständig, sondern auch in einer definitiven Aufnahme genießen. Abgerundet wird die Veröffentlichung durch ein Booklet, das neben Credits und Synopsis mit zahlreichen Farbfotos aufwartet.

Fazit: Eine mustergültige Einspielung und ein Muss für jede Sammlung!

AKT I