Musical-Hommage an die Stadt ihrer Herzen – »Wir sind am Leben«

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Manchmal entsteht Großes aus einer tiefen Verbundenheit. Für Ulf Leo Sommer und Peter Plate ist es die Liebe zu Berlin – zu dieser lauten, widersprüchlichen, lebendigen Stadt, die sie seit Jahren inspiriert und tief in ihrer gemeinsamen Lebensgeschichte verankert ist. Jetzt widmen sie ihr eine Hommage: »Wir sind am Leben – Das Berlin-Musical«.
2021 brachten die beiden Songwriter gemeinsam mit ihrem Kreativteam die Musicaladaption der ZDF-Erfolgsserie »Ku’damm 56« auf die Bühne des Berliner Theater des Westens. Es folgten »Romeo & Julia – Liebe ist alles«, »Ku’damm 59 – Das Musical« und zuletzt »Die Amme«. Seit 2024 sind Peter Plate und Ulf Leo Sommer nun die künstlerischen Intendanten des Hauses – und seit diesem Jahr haben sie für die Folgejahre die Indendanz von Stage Entertainment mit großen Träumen und Visionen für die Zukunft übernommen.
Bei der gestrigen Pressekonferenz, am 3. November 2025, gewährten sie erstmals einen Blick hinter die Kulissen ihres neuesten Projekts – und präsentierten gemeinsam mit Joshua Lange, Lukas Nimscheck und Franziska Kuropka eine Geschichte, die ihnen seit über zehn Jahren am Herzen liegt.
»Wir sind am Leben« erzählt von zwei Geschwistern im Berlin der 1990er Jahre. »Der Fall der Mauer ist für sie Fluch und Segen zugleich – eine Zeit zwischen Aufbruch, Chaos, Liebe und Verlust. Ein Denkmal, nicht aus Stein, sondern aus Musik, Geschichte und Gefühl«, so Plate und Sommer.
Erstmals bringen die beiden damit ein Musical auf die Bühne, das nicht auf einer bekannten Vorlage basiert, sondern eine ganz eigene Geschichte erzählt – inspiriert von persönlichen Erinnerungen und echten Gefühlen. Die Zusammenarbeit mit Lukas Nimscheck und Franziska Kuropka begann bereits vor einigen Jahren – durch eine Empfehlung von Steffi Irmen.
»Als Steffi damals in Berlin die Anfrage bekam, eine Solo-Show zu machen, hat sie uns beide netterweise vorgeschlagen. So entstand »Die Amme«, die ursprünglich nur einmal gespielt werden sollte«, erzählt Nimscheck. Inzwischen ist »Die Amme« zu einem der beliebtesten Stücke im Theater des Westens geworden. Steffi Irmen begeistert darin mit ihrer geballten Frauenpower – so, wie sie es schon in ihrer Paraderolle im Mutterstück »Romeo & Julia« tat.
Mit »Wir sind am Leben« verarbeiten Plate, Sommer, Nimscheck und Kuropka ihre eigenen Erlebnisse rund um den Mauerfall und die bewegten Jahre danach.
»Ich bin ja so ein ganz klassisches Wendekind«, sagt Nimscheck. »Ich weiß, was das für ein Einschnitt für meine Familie war.« Franziska Kuropka ergänzt: »Ich bin 1992 mit 12 Jahren von Thüringen nach Kreuzberg gezogen – das war aufregend und widersprüchlich zugleich. Ich habe gleichzeitig Aufbruch und Abriss erlebt. Dieses Gefühl, dass alles kaputtgeht und gleichzeitig alles möglich ist, genau das wollen wir erzählen.« Um diesem gerecht zu werden, haben die Kreativen sich dazu entschlossen, die Story, die einst nur einen Tag umfassen sollte, auf ein ganzes Jahr auszudehnen. So haben die Figuren ausreichend Freiraum, um sich zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht Rosi – gespielt von Steffi Irmen.
Vor der Wende führte sie einen gut besuchten Friseursalon, selbst Prominente wie Katarina Witt kamen zu ihr. Doch nach dem Mauerfall bleibt das Geschäft leer – die Kundschaft zieht weiter, der Glamour verblasst. »Sie geht fast daran zugrunde«, sagt Peter Plate, der selbst einst bei Starfriseur Udo Walz arbeitete und damit die Vorlage für Rosis Welt lieferte. Peter Plate nennt sich selbst augenzwinkernd einen »Quoten-Wessi« und erinnert sich lebhaft an die frühen 90er: »Das war eine wilde, freie Zeit, aber auch eine, in der man ständig Abschied nahm.« HIV erlebte einen (ersten) Höhepunkt. Die Infektionszahlen waren hoch, die Schicksale allgegenwärtig, was auch im Stück thematisiert wird. Neben Rosi stehen Nina (Celina dos Santos) und Bruno (Jörn-Felix Alt) im Zentrum der Geschichte. Bruno, das Herz der Erzählung, ist HIV-positiv und kämpft mit unbändiger Lebensfreude gegen die Krankheit. »Er will kein Mitleid, sondern einfach leben – so normal, wie es geht«, erklärt Sommer. Ein Song über seine Geschichte wird, so viel sei verraten, zu einem der emotionalsten Momente des Abends.
»Als wir nach Berlin kamen, starb ab 1992 fast jede Woche jemand – Freunde, Bekannte. Das war fast Normalität. Dieses Gefühl, diese Trauer und gleichzeitig diese Stärke, das alles steckt in Brunos Lied«, sagt Peter Plate bewegt.
Neben Steffi Irmen und Celina dos Santos, die nach »Romeo & Julia« erneut gemeinsam auf der Bühne stehen, gehören auch Daniel Pohlen und Jörn-Felix Alt zur Premierenbesetzung. Alt überzeugte Plate und Sommer schon beim ersten Vorsingen: »Nach zwei Minuten wussten wir, dass er es ist! Wir haben alle geheult – völlig unprofessionell«, lacht Plate.
Für Irmen, die die Wendezeit als Kind miterlebte, ist das neue Stück eine emotionale Zeitreise. »Ich darf diese Zeit, die ich damals nur als Kind erlebt habe, jetzt noch einmal als erwachsene Frau ganz neu durchleben.«
Auch Celina dos Santos und Daniel Pohlen schöpfen aus familiären Erinnerungen. »Ich kenne diese Geschichten von meinen Eltern und Großeltern«, erzählt dos Santos und animierte dadurch die geladene Presse zum Lachen. Und genau so soll es auch im März sein, wenn das Stück Premiere feiern wird. Trotz der Einzelschicksale der Figuren soll gelacht werden. Denn das Leben ist lebenswert, auch wenn die Höhen und Tiefen Hand in Hand gehen. Bei der Pressekonferenz präsentierten die vier Hauptdarsteller:innen bereits drei Songs live im Spiegelsaal des Theaters des Westens – ein Vorgeschmack auf ein Musical, das Berlin neu fühlen lässt: roh, ehrlich, emotional.
Die Weltpremiere von »Wir sind am Leben – Das Berlin-Musical« findet am 21. März 2026 im Theater des Westens statt.
Und wer die Begeisterung im Raum an diesem Novembertag spürte, der ahnt schon jetzt:
Dieses Stück wird mehr als nur Musik – es wird ein Gefühl.