CD des Monats: November 2024

  • Magazin
  • 4 Minuten zum Lesen

Hell’s Kitchen

Original Broadway Cast 2024

Schon mit ihrer Debüt-Single »Fallin‘« von 2001 zeigte Alicia Keys, dass ihr klassischer Klavierunterricht ihr nicht nur als Instrumentalistin, sondern auch als Songwriterin zu Gute kam. Viele ihrer Hits hatten immer das gewisse Etwas, das Quäntchen musikalischer Expertise mehr, um sie vom Pop- und R’n’B-Mainstream abzuheben. Diese Qualitäten zahlen sich nun bei »Hell’s Kitchen«, Alicia Keys‘ erstem Broadway-Musical, aus. Ihre (wie in der Popmusik üblich oft in Kooperation mit anderen Songwritern verfassten) Songs sind, glaubt man den Kritiken, so gut wie bei nur wenigen Jukebox-Musicals in die Handlung eingebunden. Und tatsächlich lässt sich diese Castaufnahme wie ein veritables Bühnenwerk hören und nicht, wie oft in solchen Fällen, als eine Art Cover- oder Tribute-Album. Sprechpassagen sind flüssig in die Lieder eingewoben, musikalisch und textlich fühlen sich die Wechsel zum Gesang stets organisch an, wie aus dem Lehrbuch für das Schreiben von Musicals. Man vergisst beim Hören schon fast, welche Songs von Alicia Keys für die Show neu geschrieben wurden und welche aus ihrem Backkatalog stammen, so schlüssig fügen sich hier alle Elemente zusammen. Großen Anteil daran haben die Arrangements von Keys und Adam Blackstone sowie die Orchestrierung von Blackstone und Tom Kitt (Komponist von u.a. »Next to Normal«) für ein 18-köpfiges Orchester (musikalische Leitung: Lily Ling).

Zwar enthält das Booklet keine Synopsis, aber dank der abgedruckten Songtexte und der Einbindung diverser Dialogsequenzen lässt sich der Story recht gut folgen. Kristoffer Diaz‘ Buch erzählt die halb-fiktive, halb-biografische Geschichte der 17-jährigen Ali, die in einem hauptsächlich von Künstler:innen bewohnten Haus in New York aufwächst. Das altersgemäße Aufbegehren des Teenagers gegen die Beschützerinstinkte ihrer Mutter Jersey droht zu eskalieren, als Ali sich in den Trommler Knuck verguckt; eine Beziehung, gegen die Jersey aufgrund eigener Erfahrungen Vorbehalte hegt (auch Alis Vater Davis ist Musiker und hat sich als unzuverlässiger Partner erwiesen). Ein Ventil für ihre Emotionen und Frustrationen findet Ali schließlich im Klavierspiel, das ihr die Mitbewohnerin Miss Liza Jane samt den Grundlagen der Musiktheorie beibringt.

Ein grandios aufspielender Cast erweckt Handlung und Songs auch auf dem Album so greifbar zum Leben, dass das Zuhören eine reine Freude ist. Allen voran muss hier die erst 22-jährige Maleah Joi Moon genannt werden, die als Ali in »Hell’s Kitchen« ihr Broadway-Debüt gibt und mit charismatischer Stimme sowie jeder Menge Power und Energie das Ensemble souverän wie eine erfahrene Leading Lady anführt. Eine fantastische Leistung, für die Moon zu Recht mit dem Tony Award als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. (Eine von ihr im Duett mit Alicia Keys gesungene Popversion des für das Stück neu komponierten Songs ›Kaleidoscope‹ rundet als Bonustrack dieses Album ab.) Ebenfalls einen Tony als beste Nebendarstellerin errang Kecia Lewis, die als strenge, aber liebevolle Klavierlehrerin Liza Jane brilliert. Jeder ihrer Auftritte ist ein Ereignis; mit ihrer tiefen, seelenvollen Stimme macht sie aus jedem ihrer Lieder etwas ganz Besonderes (man höre beispielsweise ihr ›Perfect Way to Die‹). Aber auch Shoshana Bean (Jersey), Brandon Victor Dixon (Davis) oder Chris Lee (Knuck) begeistern. Alles in allem ist »Hell’s Kitchen« tatsächlich der seltene Fall eines Jukebox-Musicals, das mehr ist als eine Aneinanderreihung bekannter Hits, so dass man sich über das Wiederhören mit Songs wie ›Girl on Fire‹, ›Fallin‘‹, ›Empire State of Mind‹ und vielen anderen in diesem neuen Kontext wirklich freut und oft überrascht ist, in welcher Form oder Situation sie in diesem Stück auftauchen.

Fazit: Mehr als »nur« ein Compilation-Musical – seelenvoll, voller Energie und mit fulminanten Gesangsleistungen. Große Empfehlung!

 

 

30 Titel

CD 1 72:40 min, CD 2 21:13 min

Doppel-CD im Jewel-Case mit 20-seitigem Booklet mit Credits, Songtexten und Fotos

Songliste:

1. The Elevator Prologue
2. The Gospel
3. The River
4. Seventeen
5. You Don’t Know My Name
6. Miss Liza Jane Plays Piano for the First Time
7. Kaleidoscope (Ali’s Version)
8. Gramercy Park
9. Not Even the King
10. Teenage Love Affair
11. Not Even the King (Reprise)
12. Unthinkable (I’m Ready)
13. You Play These Notes
14. Girl on Fire
15. Perfect Way to Die
16. Heartburn
17. Love Looks Better
18. Work on It
19. Price, Bonds, and Scott
20. Authors of Forever
21. Fallin‘
22. If I Ain’t Got You
23. Pawn It All
24. Like You’ll Never See Me Again
25. When It’s All Over
26. Hallelujah/Like Water
27. No One
28. All We Can Do Is Play
29. Empire State of Mind
30. Kaleidoscope