Stimmungsvolles Spiel mit dem schönen Schein – »Maskerade« wieder zurück in Berlin

  • Magazin
  • 4 mins read

Nach einer Idee von Anna-Katharina Friedrich textete Matthias Busch für die neue Produktion von TAMUTHEA gestochen scharfe, spannende, intelligente und gesellschaftskritische Dialoge und Liedtexte sowie ausgeklügelte Handlungsstränge auf mehreren Erzählebenen inklusive eines mythologischen Narrativs. Das Ergebnis der Zusammenarbeit von Tamuthea mit professioneller Unterstützung im kreativen Bereich ist ein in sich stimmiges und sehr stimmungsvolles Theatererlebnis, das einen in Zeiten von Social Media und Marketing-Kampagnen nachdenklich stimmt, aber mit Spannungsbögen und Humor auch sehr gut unterhält.
Die Musik von »Maskerade« ist generell so komponiert, dass der Zuschauer bereits an Melodie und Arrangement den Wechsel zwischen der Welt der Höflinge und der Rebellen erkennt und sich schnell orientieren kann. So ist auch der Vandalismusakt der Rebellin Agnes mit musikalisch interpretierten leichtfüßigen Schritten erkennbar unterlegt, wenn sie sich zu Beginn des Stücks an den Hof schleicht und die Toilettenräume besprüht. Hier wird bereits ein Konflikt angedeutet: Agnes auf der Seite der Rebellen und Amanda auf der Seite des Hofs sind Schwestern. Amanda gibt ihr die Schuld am zerrütteten Elternhaus.
Nachdem Agnes am Hof entdeckt und mit dem Kopf ins Toilettenbecken gestoßen wurde, kehrt sie zurück nach Hause in eine Bar der Rebellen, der Rebellenorganisation KER (deren Abkürzungsbedeutung ein Running Gag durch das gesamte Musical ist), und zu ihrer Freundin Jo (Emilia Eschelbach), albert mit ihr über die Höflinge herum, will aber nicht tatenlos herumsitzen. Am Hof herrschen die Großherrin Magna (Kira Hauß, glaubhafte Darstellung der hochmütigen, aber sich im Stück wandelnden Figur) und ihr Zeremonienmeister Yves (Phillipp Schaeffer), beide vom Parasiten für seine Zwecke manipuliert. Zudem ist am Hof Maskenpflicht angesagt.
Amanda (Ulrike Brühan spielt ihren sich wandelnden und besinnenden Charakter ebenfalls authentisch) führt dort eine Beziehung mit Johnny (Philipp Lorentz als sympathischer Umdenker) und behält dort die Oberhand. Doch Johnny begehrt allmählich auf und setzt buchstäblich endlich seine Maske der Dekadenz ab, denn er hat genug davon, dass Höflinge nach den im »Hofnarr« zu lesenden Regeln ihr Leben führen müssen. Als Johnny aus eigener Entscheidung den Hof verlässt, sinkt Amandas Beliebtheitslevel und sie wird vom Hof fortgeschickt. Der Cliffhanger des ersten Akts zeigt eine maskierte und in höfischen Zwirn gekleidete Agnes, die die Seiten gewechselt hat. Der zweite Akt beinhaltet zahlreiche Erkenntnisse: Zuhause angekommen berichtet Amanda von den die Höflinge manipulierenden Masken. Währenddessen entdeckt auch der Zuschauer, dass die Hofschranzen ein Problem mit den Masken haben. Großherrin Magna entpuppt sich ebenfalls als Opfer der Masken, dankt ab, und Yves, der seine Machtpläne offenbart, entpuppt sich als vom Parasiten gesteuert. Derweil ist Agnes wieder zu den Rebellen zurückgekehrt und versöhnt sich mit ihrer Schwester. Ein hysterischer Yves wird enttarnt und entmachtet, so dass der Parasit sich von ihm abwendet und sich einen neuen Wirt sucht.
Trotz aller eventuell im Stück enthaltener Gesellschaftskritik ist »Maskerade« ein Theaterstück für die Jugend. Dafür sorgen humorvolle und augenzwinkernde Dialoge, Hoftratsch, popkulturelle Anspielungen und die Rolle der aufgedrehten Kleinkriminellen Kim, mit der Anna-Katharina Friedrich in kecker Darstellung immer für etwas Rambazamba-Stimmung sorgt. Herrlich schrill und dennoch sympathisch sind auch die Hofschranzenverkörperungen von Mariella Pompe und Annabella David.
Während im ersten Akt Konflikte und Problematiken auftauchen, bietet der zweite Akt eine Auflösung von Fragen und einen Lösungsansatz, um die Welt der Höflinge und Rebellen zu vereinen. Songs wie das etwas kinderliedartige ›Firlefanz‹ (passend zu den singenden Hofschranzen) und Spannung erzeugende Melodiebögen prägen sich ein. Die Choreographien von Bianca Benjamin, Silke Vente Yubi und Kevin Foster (Letzterer speziell für die Kämpfe) fügen sich gut ein und tragen mit dem minimalistischen und teilweise upgecycleten Bühnenbild (Kai Schaeffer, Christian Hauß, Stefan Pohl), das Räume der beiden gegeneinander kämpfenden Welten nur andeutet, zum flüssigen Eindruck der Show bei.
Die ausführliche Kritik zu diesem Stück erschien in der Ausgabe 125 / 05_2023. TAMUTHEA kehrt mit der Musicalproduktion „Maskerade“ zu Pfingsten 2024 für sechs Vorstellungen zurück ins Atze Musiktheater Berlin.

Weitere Information: 
https://www.tamuthea.de/