Anlässlich des 50. Todestags von Robert Stolz widmet Alfons Haider dem großen österreichischen Komponisten eine glanzvolle Revue. Vom 7. bis 17. August lädt Schloss Tabor zur Revue »Die ganze Welt ist Himmelblau!« – Die große Robert Stolz Revue. Diese Revue erzählt mit Musik, Tanz und Schauspiel Stationen im Leben von Robert Stolz – von seiner Kindheit in Graz bis zu seinem Wirken in den USA und der Rückkehr in die Heimat. Klassiker wie ›Im Prater blüh‘n wieder die Bäume‹, ›Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau’n‹ oder das titelgebende ›Die ganze Welt ist himmelblau‹ werden das Publikum auf einer musikalischen Zeitreise durch das 20. Jahrhundert begleiten.
Seit 2007 ist die Junge Philharmonie Brandenburg ständiges Festivalorchester im Sommer auf Schloss Tabor.
blickpunkt musical: Herr Sosa, das Schloss Tabor im tiefsten Burgenland liegt nicht besonders nah an Brandenburg. Die erste Zusammenarbeit lag noch vor Ihrem Amtsantritt, aber vielleicht können Sie trotzdem erzählen, wie es zu der Zusammenarbeit kam und was diese für Sie persönlich ausmacht?
Winnetou Sosa: Schloss Tabor ist so etwas wie ein Sehnsuchtsort für uns Brandenburger, die eine eher karge Landschaft mit Kiefernwäldern gewöhnt sind. Sanfte Hügel, Weinreben am Schlosseingang, viel herzliche Gastfreundschaft. Da kommt man gerne, auch wenn der Weg weit ist. Und wie immer bei solchen Kooperationen kommen zum Gelingen viele Dinge zusammen. Die Jugendlichen unseres Auswahlorchesters sind auf jeden Fall stolz, so viele Jahre schon erfolgreich in diesem schönen Rahmen musizieren zu dürfen. Bei allen Projekten und Herausforderungen, die die Mitglieder eines profilierten Sinfonieorchesters wie der Jungen Philharmonie erleben, ist die musikalische Arbeit auf Schloss Tabor so etwas wie das heimliche Highlight im Jahreskalender.
blimu: Eine besondere Herausforderung im Schloss Tabor, speziell für das Orchester, ist der nicht überdachte Orchestergraben. Regen ist der größte Feind für Instrumente, was sind noch weitere Herausforderungen für die Musiker:innen, wenn sie im Freien spielen?
WS: Der besondere Charme der Freilichtinszenierung ist in der Tat immer auch eine Herausforderung für die jungen Musiker:innen auf der Bühne oder im Orchestergraben, zumal schon eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit den Streichern das Spielen unmöglich macht. Da muss es noch gar nicht regnen. Auf Schloss Tabor ist ein besonderer Reiz für die jungen Musiker das enge Zusammenspiel zwischen Bühne, Chor und Orchester. Man ist nah beieinander, berührt sich fast gegenseitig und lebt auch nach den Proben und Vorstellungen nah beieinander. Und das bei einem hohen Anspruch. Das ist für junge Musiker besonders herausfordernd, aber es eröffnet Raum für ganz besondere Leistungen und Erlebnisse.
blimu : Gibt es zwischen Ihnen und dem Intendanten Alfons Haider eine Abstimmung bei der Festlegung des Programms?
WS: Operette und Jugendliche – da zögert man einen kurzen Augenblick. Es sind aber gerade die Jugendlichen, die ein untrügliches Gefühl dafür haben, was gute und was weniger gute Musik ist. Und Operette ist oft traumhaft schön, mit ihren Emotionen und kleinen und großen Dramen. Außerdem ist Alfons ein großer Profi mit einem sehr guten Gefühl dafür, was aus dem unendlichen Fundus der Operetten gut zu Schloss Tabor passt. Solche Werke überzeugen dann auch die Jugendlichen. Eigentlich sollte gute Operette – oder eine tolle Revue wie in diesem Jahr – nur von jungen Musikerinnen und Musikern gespielt werden. Die Emotionen sind dann echt.
blimu: Die Junge Philharmonie Brandenburg ist bekannt dafür, dass viele Musiker:innen von dort aus den Weg in die »großen« Orchester finden. Wie empfinden Sie die Arbeit mit den jungen Menschen, die sicherlich genauso Herausforderungen wie außergewöhnliche Momente beinhaltet?
WS: Viele Ehemalige der Jungen Philharmonie Brandenburg spielen heute in den großen Orchestern im deutschsprachigen Raum – und darüber hinaus. Zwei junge Musiker, die noch vor drei Jahren als Jugendliche bei uns mitgespielt haben, wurden gerade in die Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker aufgenommen. Das sind schöne Perspektiven, wenn die Jugendlichen einen solchen nächsten Schritt gehen können. Talentförderung empfinde ich als genau das: nächste Schritte ermöglichen. Oft ist es dabei aber ein wenig wie in der Operette: dramatisch, mit meist gutem Ende. Dabei muss man aber immer ehrlich sein. Wir freuen uns, wenn wir Konzerte mit den tollsten Solisten spielen können, die früher einmal bei uns Mitglieder waren. Wir freuen uns aber auch, wenn jemand statt Musiker ein richtig guter Chirurg wird. Es gibt meist verschiedene nächste Schritte.
blimu: Lieber Herr Sommerer, als Dirigent sind Sie unmittelbar nah an den jungen Menschen dran – was bewundern Sie an ihnen am meisten?
Peter Sommerer: Was mich jedes Mal aufs Neue begeistert, ist die Neugier und Unvoreingenommenheit der Jugendlichen, wie sie sich »ans Werk« machen. Sei es eine Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch oder nun das Universum von Robert Stolz. Mir ist es wichtig. mit dem Orchester, neben allen technischen Parametern, etwas zu erschaffen, das etwas erzählt. Über die Musik, über die Emotionen der Figuren auf der Bühne, aber natürlich auch etwas über uns selbst als ausführende Musikerinnen und Musiker.
blimu: Wo liegt für Sie der Reiz, jedes Jahr einen Teil des Sommers im Burgenland zu verbringen, was bedeutet dies für die jungen Musiker:innen?
PS: Wie Herr Sosa schon gesagt hat: Es ist eine große Besonderheit. als Landesauswahlorchester nicht nur konzertante Formate anbieten zu können, sondern auch Musiktheater. Die Interaktion mit dem szenischen Geschehen auf der Bühne erfordert noch einmal eine zusätzliche Ebene der musikalischen Kommunikation. Dies zusammen zu erarbeiten. macht mir als Dirigent großen Spaß und ist für die Jugendlichen eine Erfahrung –‒ egal, ob man Musik zu seinem Beruf macht oder nicht ‒ die man wahrscheinlich sein Leben lang nicht vergisst. Und das Burgenland, mit seinen landschaftlichen und kulinarischen Spezialitäten, aber insbesondere auch der Herzlichkeit der Menschen, prägt den gemeinsamen Sommer.
blimu: In diesem Jahr gibt es keine Oper oder Operette, sondern eine Revue mit den schönsten Liedern von Robert Stolz. Bei »normalen« Jugendlichen würde man vermuten, dass Sie den Namen kaum noch kennen, wie war es bei Ihren Schützlingen, konnten Sie mit der Musik von Stolz schon vor den Proben etwas anfangen?
PS: Die Musik war zunächst den meisten unbekannt, und sich aus einer einzelnen Stimme »das Ganze« zu erschließen, war zunächst ungewohnter, als das vielleicht im klassischen Konzertrepertoire ist. Aber in dem Moment, als in der ersten Leseprobe der »Stolz-Zauber« aufblitzte, konnte ich das Leuchten in den Augen der Jugendlichen sehen. Es gelingt Robert Stolz mit seiner Musik immer noch, Emotionalität ohne oberflächliche Sentimentalität zu erzeugen, die, egal ob Oper, Operette oder Musical, durch Authentizität überzeugt.
blimu: Als Dirigent sind Sie am nächsten am Orchester dran, Ihres strukturiert sich aber sehr regelmäßig neu, da die Musiker dann anfangen zu studieren oder zu großen Orchestern wechseln. Wo liegt hierbei Ihre Herausforderung als Dirigent?
PS: Das Orchester »erneuert« sich in gewissen Zyklen, jedes Jahr werden talentierte Jugendliche nach einem erfolgreich absolvierten Probespiel aufgenommen, wobei es demographische Entwicklungen gibt, welche Instrumentengruppen in den Musikschulen mal mehr, mal weniger frequentiert und ausgebildet werden. Es ist aber schön zu sehen, wie die erfahrenen Orchestermitglieder die Jüngeren an der Hand nehmen, um sie nicht nur musikalisch, sondern auch gruppendynamisch zu integrieren. Für mich ist es immer wieder schön zu erleben, welche individuelle Entwicklung durch das Musizieren, aber auch durch das gemeinsame Leben in den Arbeitsphasen die Jugendlichen machen. So ist es mehr ein kontinuierlicher, dynamischer Prozess als ein Immer-wieder-von-Neuem-Beginnen.
blimu: Überall wird über die neue Generation geredet, dass sie eine völlig andere Einstellung zu ihrem Beruf hat und die Work-Life-Balance neu denkt. Wie ergeht es Ihnen in der klassischen Welt, haben sich die Jugendlichen, die über eine Karriere als Orchestermusiker:innen nachdenken, in Ihren Augen in den letzten Jahren verändert?
PS: Ich habe den Eindruck, dass die Begrifflichkeit der »Work-Live-Balance« oft mehr Stress erzeugt, als sie eigentlich auflösen möchte. Denn dass Arbeit nicht als Teil des Lebens, sondern sogar als Nicht-Leben definiert wird, halte ich auch gesellschaftspolitisch für problematisch. Zugegebenermaßen sind wir in künstlerischen Berufen, besonders von außen betrachtet, privilegiert in dem, dass wir tun dürfen, was wir auch gerne tun. Das erfüllt mich persönlich mit Dankbarkeit und Demut. Eine klare Abgrenzung zwischen Work und Life ist dabei schwierig, in unserem Fall würde ich es als erhöhte Achtsamkeit der jüngeren Generation beschreiben, dass, wie es oft hieß, nicht »nur der Tod« für Abwesenheit entschuldigt. Ich möchte aber die jüngere Generation generell, auch außerhalb unseres Kulturbereiches, dazu ermuntern, sich weiterhin mit Leidenschaft zu engagieren.
blimu: Was machen für Sie die Melodien von Stolz aus?
PS: Stolz wurde ja einmal als »3-Minuten-Genie« bezeichnet. Er ist wirklich ein Meister darin, in seinen Liedern, Chansons und Operetten emotionale Fallhöhen, Humor und Energie, besonders auch in den Tanznummern, so auf den Punkt zu bringen, dass ihr nach wie vor zeitloser Charme immer noch das Publikum erreicht.
blimu: Gibt es bei der musikalischen Erarbeitung einer Revue Unterschiede zu der Erarbeitung einer Operette / Oper?
PS: Die Herausforderung bei nicht geschlossenen Bühnenwerken, sei es eine Opern-Gala oder eben eine Revue, besteht darin, dass sowohl die Darstellenden auf der Bühne als besonders auch das Orchester sich sehr schnell auf die »Temperatur« des jeweiligen Stückes umstellen müssen, d. h. es gibt kein »erstmal Reinkommen«, sondern es muss von Beginn an der Fokus immer neu justiert werden. Aber genau das ist auch der besondere Reiz an einer Revue.
blimu: Auf was freuen Sie sich schon im Vorfeld am meisten in Bezug auf die kommenden Wochen?
PS: Für mich als Dirigent ist das Zusammensetzen nach Monaten der Vorbereitung und Konzipierung, gemeinsam mit Regisseurin Rita Sereinig und dem ganzen Leading Team, das Lebendig-werden-Lassen unserer Ideen mit allen künstlerischen Abteilungen und Gewerken, sehr spannend. Die musikalisch-szenischen Proben mit Soli, Chor und Tanzensemble sind nun in vollem Gange und ich freue mich darauf, bald das Orchester in den musikalischen Prozess zu integrieren. Und am Ende auf eine Premiere, die das Publikum für Robert Stolz (neu) begeistern wird.
Blimu: Wir freuen uns, dieses Jahr die Revue erleben zu dürfen, und wünschen Ihnen und natürlich allen Musiker:innen eine wunderbare Probenzeit ‒ und vor allem aber trockenes Wetter!
Weitere Informationen und Tickets erhalten Sie auf: Die Große Robert Stolz Revue – Schloss Tabor