
Am 21. Januar war es nach vielen Monaten der Ankündigung soweit – es gab eine Sing-along Show von »Ku‘damm 59«. Das Stück, welches auf der Überholspur gerade einen Award nach dem anderen für sich gewinnt, besticht, wie schon die Vorgängerversion »Ku‘damm 56«, durch sehr viele sehr eingefleischte Fans. Und dies in einer Menge und Unterstützungsbereitschaft, die man sonst nur aus Wien oder in Deutschland bestenfalls vom All-Time-Klassiker »Tanz der Vampire« kennt. Sicherlich ist ein Geheimnis die stets rock-poppige Musik mit charmanten Textzeilen, die den musikalischen Nerv der insbesondere jüngeren Gehörgänge trifft (was absolut nicht ausdrücken soll, dass nicht auch etwas Ältere Freude an den Musicals der Beiden haben – aber es ist faszinierend, dass Peter Plate und Ulf Leo Sommer es schaffen, wirklich den Musical-Zuschauer-Nachwuchs anzusprechen und ins Theater zu locken). In einer nahbaren, sehr talentierten Cast liegt gefühlt aber ebenso ein weiterer Baustein dieses Erfolgs. Und wenn man eine Cast, die es versteht, mit Fans umzugehen, und begeisterte Fans zusammentut, dann am besten im Rahmen eines – genau – Sing-alongs. Im englischsprachigen Raum ist so etwas deutlich üblicher als bei uns, hier kennt man es mal vom »Weißen Rössl«, aber eigentlich fast ausschließlich von der »Rocky Horror Show«, die seit Jahrzehnten Alt und Jung in die Säle lockt und zum Mitsingen und Mittanzen animiert. Hier aber war es ein Experiment und vermutlich waren diejenigen, die die Idee hatten, am meisten überrascht, wie unglaublich gut das angekommen ist.

Das Theater war sehr gut gefüllt und bis auf wenige, die offensichtlich nicht recht wussten, was ihnen da geschieht, waren alle, zum geringen Teil mit Hilfe des Textbuches, welches man sich auf das Handy laden konnte, zum weit größeren Teil aber mit beeindruckender Textsicherheit am Mitsingen. Dies war einmal zutiefst berührend, wenn der ganze Saal ›Frühling in Berlin‹ mitsang, mal war es sehr mitschunkelnd, wenn es an den Wolfgangsee ging. Immer war es aber voller Energie, es wurden nicht nur zum Teil die Auftritte der Darsteller auf die Bühne gefeiert, sondern auch fast minutenlang am Ende der Lieder applaudiert – eine, die es da mit am meisten »erwischt« hat, war Katja Uhlig als Caterina Schöllack – ihr ›Belinda Hochreiter‹ sorgt stimmbedingt ohnehin schon immer für starken Applaus, jetzt aber schien er nie zu enden. Das anschließende »Caterina, ich liebe dich« kam zwar aus dem Mund von Steffi Irmen, bzw. Christa Moser, in diesem Moment kam Uhlig aber die Liebe des ganzen Publikums entgegen. Lautstark waren auch die unterstützenden Bekundungen in den Momenten, in denen sich Wolfang (Philipp Nowicki) und Hans (Alexander Auler) küssten, oder auch wenn Eva (Isabel Waltsgott) sich von dem Tyrannen in Form ihres Ehemannes Jürgen Fassbender (Marco Billep) befreite.
Lange Standing-Ovations und ein sichtbar gerührtes Ensemble rundeten das Erlebnis im Saal des wunderschönen Theater des Westens ab – doch damit sollte noch lange nicht Schluss sein. Marcella Rockefeller lud, charmant und sexy wie immer, in den Spiegelsaal des Theaters zum Karaoke und erstaunlich viele Zuschauer blieben noch die eine oder andere Stunde und sangen, zum Teil sehr ausgelassen und immer voller Inbrunst, vor allem Musicallieder. Nicht nur einmal, insbesondere bei den Liedern aus beiden »Ku‘damm«-Stücken, aber auch bei »Romeo & Julia«, sangen dann nicht mehr nur die Sänger:innen am Mikrofon, sondern auch alle anderen im Saal.
So eine Stimmung erlebt man normalerweise nur zu einer Dernière im Theater, dies einmal ganz ohne zu große Wehmut (Fans – und natürlich auch alle anderen Zuschauer – dürfen sich ja noch über rund vier Wochen weitere Spielzeit freuen) zu erleben, hatte ein ganz besonderes Flair.
Es wäre toll, wenn das eine oder andere Theater auch auf diese Idee kommen würde. Es ersetzt zwar keine »echte« Show, die man ganz anders aufsaugt, es ergänzt eher und schafft zusätzlich wunderbare Erinnerungen. Nach dem großen Erfolg jetzt im Theater des Westens kann man fast davon ausgehen, dass es zumindest hier in die Wiederholung (dann vermutlich mit »Romeo & Julia«) gehen wird.