Knef à la Fischer: »Tim Fischer singt Hildegard Knef – Na und« in der Bar jeder Vernunft, Berlin

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Hildegard Knef wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden – Anlass für den Chansonier Tim Fischer mit seinem Programm »Tim Fischer singt Hildegard Knef – Na und« tief in ihre musikalische Welt einzutauchen. Mehr als dreißig Songs transportieren den Zuschauer in ihre Zeit, die 1960er und 70er Jahre, sowie in die kleinen Geschichten, die sie in Liedformat präsentierte. Diese haben den Sänger schon seit seiner Kindheit begleitet. Bereits 2010 hat er sich ihr auf der Bühne mit »Tim Fischer singt ein Knef-Konzert« gewidmet, wo er ihre Texte in den Mittelpunkt rückte. Da trug er lediglich einen schwarzen Anzug auf der Bühne. Diesmal vollzieht er den vollen Wandel samt Make-up, Perücke und Kleid und gibt ein verblüffendes Bild von ihr ab. Auf der Bühne wird er von Bernd Oezsevim (Schlagzeug), Lars Hansen (Bass) und Mathias Weibrich (Piano) begleitet. Letztere schuf auch die Arrangements für die kleine Besetzung und übernahm die musikalische Leitung.

Das swingende ›In dieser Stadt‹ bildet einen hervorragenden Anfang, schließlich gehört dazu die Zeile »war ich mal zu Haus«. Knef hatte mit dem Song von 1966 Berlin im Sinn, auch wenn der Name der Stadt nirgends fällt. Text und Musik stammen von Charly Niessen. Das ist insofern relevant, als dass ein Großteil der Liedtexte von ihr auch verfasst worden sind. Diese wurden dann Primär von Niessen oder Hans Hammerschmid vertont und besitzen den typischen Knef-Klang, der sie so besonders macht. Anders verhält es sich mit Richard Rodgers ›The Lady is a Tramp‹ oder Cole Porters ›Let’s Do It‹, die beide in einer Übersetzung gesungen werden und eher fremd klingen als die vertrauten Hits, die sie sind. Neben ihren Publikumslieblingen wie ›Für mich soll’s rote Rosen regnen‹, ›Von nun an ging’s bergab‹ und ›Tapetenwechsel‹ sind viele Songs zu hören, die weniger zu ihren Klassikern zählen. So gibt es viel zu entdecken: ›Natascha‹, ›Der Mann, die Frau, das Mädchen‹, ›Die Welt ging unter am Zürichsee‹ und z. B. ›Ostseelied‹. Sie lassen erkennen, wie ungeheuer produktiv Knef war.

Man spürt, dass Tim Fischer der Abend viel bedeutet und manchmal schimmert die Knef auch durch. Doch zunehmend entfernen sich beide. Tim Fischer hat seinen eigenen Stil, der oft Ironie und Kabarett atmet und wunderbar bei seinem Georg-Kreisler-Abend zum Tragen kam. Dafür wird er geliebt. In diesem verschmitzten Stil bekommen die Knef-Songs eine zusätzliche, neue spannende Note. Zu ›Fragebogen‹ und ›Jene irritierte Auster‹ passt dies wunderbar. Das Publikum beschenkt ihn reichlich mit Applaus. Leider klafft das allerdings mit dem Bild, nämlich das der Knef, auseinander. Es wäre wahrscheinlich wirkungsvoller gewesen, wenn er sich ihr optisch lediglich angenähert hätte. Ein Rollkragenpulli, schwarz oder weiß vielleicht, wie sie insbesondere in den 1960er Jahre beliebt waren, hätte genügt. Dazu ein entsprechender Knef-Hut oder eine Knef-Mütze. Solch ein unisex-Look würde beide Künstler bedienen und mehr Raum für das »Zwischen« Fischer und Knef geben. Zumal Knef eine Herbheit und etwas Bodenständiges kennzeichnet, Fischer hingegen eine Zartheit und etwas Luftiges, gerade mit seiner Tonlage.

Kollege Ulrich Michael Heissig, der ebenfalls in der Bar jeder Vernunft Knefs 100. Geburtstag würdigt, tut dies über ihre fiktive Zwillingsfigur Irmgard Knef und tritt ganz hinter der Figur zurück. Mit seinen Knef-Tonfall erscheint sie völlig real und bietet eine ganz andere Erfahrung. Während seine Show eine Meisterklasse in Wortwitz ist, bringt Fischers Abend die musikalischen Zwischentöne zum Klingen und zeigt eine andere, mitunter ernste Seite der Knef, die selten präsentiert wird. Zum Ende hin greift Fischer auch Jacques Brels ›Amsterdam‹ auf, das bestens zu seinem Repertoire passt und mit soviel Kraft dargeboten wird, dass Künstler und Lied eins werden. Dass dies Lied auch von Knef gesungen wurde und dies eigentlich ein Knef-Abend ist, ist da völlig vergessen. Zudem verzaubert Fischer sein Publikum den Abend hindurch mit seinem graziösen Lächeln, dass Knefs Kleider nur noch Scharade sind. Nichtsdestotrotz ist es ein abwechslungsreiches Programm, das zwei Welten zusammenführt.

„Tim Fischer singt Hildegard Knef – Na und“ ist deutschlandweit zu erleben.

Orte und Termine unter https://www.timfischer.de/termine/

  1. – 21. September 2025 wieder in der Bar jeder Vernunft