Wer gibt, wird der Beschenkte sein: »Der Geist der Weihnacht« in Füssen

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Foto: Ingrid Kernbach

Alle Jahre wieder, pünktlich zur Weihnachtszeit, geistert auch »Der Geist der Weihnacht« durch deutsche Theater. Dabei gibt es unterschiedliche Produktionen; so hatte im Festspielhaus Neuschwanstein am 22. November das Musical mit der Musik von Dirk Michael Steffan seine diesjährige Wiederaufnahme. Die Handlung basiert auf der berühmten englischen Novelle von Charles Dickens, »A Christmas Carol«, und erzählt vom Leben des alten, hartherzigen, geizigen Ebenezer Scrooge. Unter der einfühlsamen Regie von Benjamin Sahler erleben die Zuschauer, wie aus ihm im Laufe der Geschichte ein ganz anderer Mensch wird. Dabei helfen ihm sein ehemaliger Freund und Geschäftspartner Marley, der ihm als Geist erscheint, sowie der Engel der Weihnacht, der sich im Laufe der Geschichte als Scrooges große Liebe Belle zu erkennen gibt. Unter anderem der Verlust dieser Liebe hat ihn hart und gemein werden lassen. Von Marley und dem Engel auf eine Reise durch sein Leben mitgenommen, wird er immer mehr zu einem bedauernswerten Menschen, der sich mit seinen Fehlern konfrontiert sieht.
Man möchte den alten Mann zu Beginn der Geschichte eigentlich hassen, muss aber auch viel über ihn lachen.

Foto: Ingrid Kernbach

Auf der Reise durch sein Leben darf er auf die vergangene Weihnacht, die Weihnacht der Gegenwart und die der Zukunft blicken. Beim Blick in die Vergangenheit begegnet er sich und seiner großen Liebe Belle wieder. Als junge Männer haben er und Marley bei Mr. Fezziwig gearbeitet und dort wurde immer ausgiebig Weihnachten gefeiert. Jetzt stellt Scrooge fest, dass er schon damals immer nur auf Geld geachtet und dadurch seine große Liebe Belle verloren hat.
In der Gegenwart sieht er sehr zu seiner Überraschung, wie die Familie seines Angestellten Cratchit, den er immer schlecht behandelt hat und dessen Sohn Thimmy schwer krank ist, ganz bescheiden und fröhlich Weihnachten feiert, und obwohl er so mies zu ihnen war, trinken sie auf sein Wohl und Thimmy sagt sehr passend: »Mr. Scrooge ist bestimmt auch krank, nur hat er keine Krücken, die ihm helfen«. Scrooge ist sichtlich bewegt und berührt zum Ende des ersten Teils mit dem Lied ›Was habe ich getan‹ die Herzen des Publikums und sorgt für so einige feuchte Augen.

Foto: Ingrid Kernbach

Auch die Geister um seinen Freund Marley hoffen sehr, dass er sich ändert, denn sonst können sie und Marley ihre Ketten nicht loswerden. Der Blick in die Zukunft zeigt Scrooge, wie sehr sich alles zum Positiven für ihn ändern würde. Allerdings muss er nun auch erkennen, dass Belle gestorben ist: Sie ist der Engel, der ihn begleitet. Doch Scrooge zweifelt immer noch, ob es etwas ändern würde, wenn er nicht mehr so hart wäre, und ihn packt die Angst, dass er wieder allein ist, wenn Marley und der Engel nach Weihnachten weg sein sollten.
Als er aufwacht, sind weder Engel noch Marley und die Geister da und schon fragt er sich, ob das nicht doch alles ein Traum war. Als er Belle um ein Zeichen bittet, erhält er dies tatsächlich in Person eines Mädchens, dass ein Weihnachtslied singt. Er nimmt das als posotves Zeichen und ist nun endgültig überzeugt, dass er sich ändern kann. Er ruft das Mädchen zurück, das zunächst erschrickt. Auf seine Frage, ob sie Angst vor ihm habe, meint sie nur, nein, aber er sehe so anders aus, »so nett«. Nach vielen Anläufen schafft er es nun sogar, dem Mädchen »Fröhliche Weihnachten« zu wünschen. Sie soll in seinem Auftrag einen Truthahn kaufen und ihn zur Familie von Cratchit schicken, und als Scrooge mit Truthahn dort eintrifft, nimmt alles ein glückliches Ende.

Foto: Ingrid Kernbach

Chris Murray als Scrooge beherrscht den Wechsel zwischen dem bösen, alten Mann, der alle tyrannisiert, über die Verzweiflung beim Erkennen seiner Fehler hin bis zum fröhlich-guten Menschen am Ende des Stückes schauspielerisch und stimmlich perfekt.
Die Rolle des Jakob Marley übernahm Marc Trojan (als Einspringer für den erkrankten Jörg Hilger) hervorragend. Ein fröhlicher, manchmal auch trauriger Geist, der seinem Freund Scrooge gerne helfen möchte, nicht zuletzt, um seine eigenen Ketten loszuwerden.
Wunderbar wie schon als Pamina in der »Zauberflöte«: Misha Kovar als Engel. Ihre glasklare Stimme und ihr sanftes Wesen machen sie perfekt für die Rolle.

Foto: Ingrid Kernbach

Als junge Belle voller Lebensfreude ist Madelaine Haipt zu erleben, die mit Michael Schneider als jungem Marley auf dem Fest der Familie Fezziwig, gespielt von Jens Rainer Kalkmann (Vater) und Carina Nopp (Mutter), beweist, dass sie alle nicht nur hinreißend spielen, sondern auch großartig tanzen können. Wunderbar auch an ihrer Seite als der junge Scrooge Michael Thurner. Insgesamt hat das Ensemble des Festspielhauses sich großartig in die verschiedenen Rollen hineingefunden.
Mitreißend ist die Musik von Dirk Michael Steffan, die sowohl fröhlich (›Ich bin ein Geist‹, ›Oops‹, ›Ein neues Leben‹) als auch traurig (›Ein Leben lang‹, ›Was habe ich getan‹) sein kann. Mit einem Megamix aller Titel als Zugabe wird das Publikum, das es bei der Premiere nicht mehr auf den Stühlen hielt, noch einmal richtig mitgerissen. In Füssen ist das Stück wunderbar inszeniert und besetzt – weitere Inszenierungen, wie zum Beispiel in München oder Oberhausen, warten ebenfalls mit interessanten Besetzungen auf. Hier aber kann jetzt schon gesagt werden, dass sich ein Besuch lohnt ‒ Vorstellungen noch bis zum 29. Dezember 2024.

Dies ist eine verkürzte Rezension, die Vollständige können Sie in der kommenden Ausgabe 133 / 01-25 unserer Zeitschrift lesen.