Wenn man Glück hat, trifft man in seinem Leben jemanden, dem es gelingt, einem mit einem einfachen Satz eine Lebensweisheit mitzugeben, die einen das ganze Leben begleitet. So war es jedenfalls für den Generalintendanten Alfons Haider, als er als 17-Jähriger mit Lampenfieber kämpfte und verzagte. Robert Stolz nahm ihn zur Seite und gab ihm den Ratschlag: »Stolz-Lieder singt man mit dem Herzen, dann wird alles gutgehen.« Jener Satz begleitete Haider durch seine sehr erfolgreiche Karriere, er ließ auch fernab von den Liedern des Komponisten sein Herz sprechen und dies gab ihm selbst bei Auftritten vor den prominentesten Zuschauern die nötige Ruhe, um diese gut zu meistern. Seine innere Verbundenheit und der große Respekt vor dem Lebenswerk waren ausschlaggebend für die Gestaltung der Revue »Die ganze Welt ist himmelblau« zum 50. Todestags von Robert Stolz und man spürt dies in jedem Detail an dem Abend in Schloss Tabor.
Das Bühnenbild wurde von Walter Vogelweider kreiert, ihm stehen in Mörbisch zwar völlig andere Dimensionen und Möglichkeiten zur Verfügung, dass er sein Metier aber auch im Kleinen sehr gut beherrscht, stellte er hier unter Beweis. Es gibt keine beweglichen Elemente, aber in dieser Schlichtheit setzt er auf Stil: In harmonischen Gold-/Blautönen hat er zwei Showtreppen als Begrenzung gewählt, so entstanden auch zwei Spielebenen, und für den Glanz, den die Produktion ausstrahlt, sorgen stilvoll gewählte Lichtelemente, die unter anderem auch Stolz´ Namen über allem aufleuchten lassen. Außerdem bietet es einen überdachten, dennoch zum Publikum offenen Raum für das Orchester. Genau dieses ist seit vielen Jahren ein ganz besonderes: Die Junge Philharmonie Brandenburg reist Jahr für Jahr ins Burgenland und begleitet dort die Festspiele. Die Jugendlichen unter der musikalischen Leitung von Peter Sommerer sind beeindruckend und es verwundert nicht, dass auf viele von ihnen, am Ende ihrer Zeit in diesem Orchester, eine Karriere als Profimusiker wartet. Musikalisch war der Abend auf höchstem Niveau, die sehr schwungvollen Lieder von Stolz, die sowohl aus vielen Bühnenstücken als auch Filmen bekannt sind, begeisterten das Publikum, Eddie Luis hat sie liebevoll arrangiert und ihnen eine behutsame Modernität verliehen. ›Ich möcht´ einmal wieder verliebt sein‹, ›Im Prater blüh´n wieder die Bäume‹, ›Ob blond, ob braun‹ oder auch ›Jung san ma, fesch san ma‹ – das Repertoire von Stolz ist groß und vielfältig, und auch wenn die jungen Musiker, wie selbst gesagt, ihn vor der Probenzeit nicht kannten, wird es vor allem im Publikum niemanden geben, der nicht zumindest eins der Lieder kennt. Die Stimmung war entsprechend gut, sogar das Mitsingen des Publikums bei ›Elsa Meyer und die drei Fehler‹ funktionierte beeindruckend gut. Rita Sereinig führte mit schönen Ideen Regie, sie inszenierte die Liebesgeschichten mit viel Gefühl und lies auch Platz für Witz, bezog auch Sommerer sowie das Publikum mit ein – perfekt inszeniert für alle, die einen lauen Sommerabend mit Kultur verbringen wollen. Die Kostüme von Julia Pschedezki waren farblich genau mit dem Bühnenbild abgestimmt, so dass viele einheitliche, den Augen schmeichelnde Momente entstanden. Renate Wutte sorgte mit Maske und den Frisuren für den perfekten Look vergangener Zeiten. Die Choreografien von Sabine Arthold passten zur operettenhaft seichten Geschichte von Christoph Wagner-Trenkwitz, die allerdings einen Feinschliff vertragen würde: Adam und Svenja sind ein erfolgreiches Sängerpaar, er, sehr flirtaffin, lässt sie aber immer wieder an seiner Liebe für sie zweifeln. Mariella und Bastian stehen noch am Anfang ihrer frischen Liebe, während es Bens größter Wunsch ist, überhaupt einen Anfang mit der von ihm verehrten Theresa zu finden. Durch dieses Konstrukt konnten die verschiedenen Liebeslieder Stolz´ ihren Platz finden. Für den geschichtlichen Tiefgang wurden Axel und Patrizia eingesetzt – Axel wollte eigentlich zu »Saturday Night Fever« in Mörbisch, aber Patrizia konnte keine Tickets mehr bekommen. So kamen sie also zu den Sitzplätzen in Tabor – nach anfänglicher Enttäuschung gewinnt Axel immer mehr Liebe zu den Liedern und dem Lebenslauf von Stolz – und der bietet, auch fernab der geschriebenen Werke, Einiges zum Entdecken. Entsprechend ist es schade, dass gerade bei dieser Figur so wenig auf eine sinnvolle Einführung geachtet wurde, wenn der, der mit Stolz anfänglich nichts anfangen konnte, auf einmal »hinter der Bühne« einen Anzug findet und sogar Sachen aus seinem Nachlass mit sich trägt, da sorgen manche Momente schon für leichtes Kopfschütteln. Zumal einige wenige Stellschrauben genügt hätten, um das Gesamtkonzept des Stücks mit einer flüssigen Geschichte noch weit stimmiger zu machen.
Die Zuschauer aber sind vor allem gekommen, um sich von der großartigen Musik von Stolz verzaubern zu lassen – und dies gelang zum einen durch die oben genannten Philharmoniker, aber auch durch die Darsteller. Svenja Kallweit beeindruckte mit ihrer hervorstechend-wohltemperierten Stimme, als ihr Bühnenpartner mit polnisch-brasilianischen Wurzeln überzeugte Adam Sanchez nicht nur mit Charme und Witz, sondern auch gesanglich. Ben Connor, der auch bereits in einigen Musicals zu sehen war, war entzückend-verliebt mit klarer Stimme, seine Angebetete Theresa Grabner zierte sich schauspielerisch gut ausgearbeitet zwar anfänglich, wie es sich aber für ein Happy-End gehört, erlag sie letztendlich dann doch Bens zahlreichen Liebesbekundungen. Bastian Litschka und Mariella Hofbauer stellten ein herzliches, vor Glück überbordendes Paar dar, insbesondere Litschka konnte mit seiner Ausstrahlung immer wieder hervorstechen. Gesanglich war das Niveau bei jedem der Solisten sehr hoch, auch Patrizia Unger, die bisher vor allem in Musicals auffiel und ab der jetzt startenden Saison festes Ensemble des Landestheaters Linz wird, konnte mit dem klassischen Gesang ihrer Kollegen vollends mithalten. Fast schon ein Urgestein der Musicalszene, Axel Herrig, fand ebenfalls den Weg nach Tabor. Als Falco wurde er bekannt, nun war er bemüht, aus seiner Rolle als Erzähler alles herauszuholen. Gefühlt wurde dies für ihn immer einfacher mit jedem Schritt, mit dem sich die Rolle Schritt für Schritt vom ahnungslosen Zuschauer entfernte und mehr und mehr zu dem wurde, was sie sein sollte.
Das Publikum hat den Abend mit der Suche nach dem Happy End verbracht und freudestrahlend genau dies bekommen: Beglückte Gesichter, leidenschaftlicher Applaus und kollektive Seligkeit haben das erfüllt, was Haider von Stolz gelernt hat: Musik muss aus dem Herzen der Interpreten in die Herzen der Zuschauer. Dann ist alles gut.