Genie, Rebellion und Gitarrenriffs: Am 13.11. feiert das Musical MOZART! von Michael Kunze und Sylvester Levay an der Bayerischen Theaterakademie August Everding im Münchner Prinzregententheater Premiere.
Titelheld Wolfgang Amadeus agiert in dem Musical als junger Rockstar, der sich von seinem tyrannisch liebenden Vater und gesellschaftlichen Zwängen emanzipiert, um sich als genialer Musiker und Mensch zu entfalten – eine packende Coming-of-Age-Geschichte, in der klassische Musicalsongs auf Balladen und rockige Lieder treffen.
Regie führt Starregisseur Andreas Gergen, das Bühnenbild stammt von Stephan Prattes. Gemeinsam mit den Studenten haben sie eine außergewöhnliche Welt geschaffen, in der das beliebte Musical nun ganz frei neue Facetten entfalten kann.
Das Münchner Rundfunkorchester musiziert unter der Leitung von Andreas Kowalewitz.
Interview Andreas Gergen
blickpunkt musical: Lieber Herr Gergen – »Mozart!« hatte 1999 Uraufführung und wurde seitdem insbesondere weltweit häufig und durchaus auch sehr frei inszeniert gespielt. Wie viele dieser Inszenierungen haben Sie selbst gesehen und fühlten Sie sich von der einem oder anderen Idee der Regisseure positiv überrascht / inspiriert?
Andreas Gergen: Ich kenne natürlich beide Kupfer-Inszenierungen der Vereinigten Bühnen Wien (1999 und 2015). Für die Uraufführung 1999 habe ich tatsächlich noch als Darsteller eine Audition gemacht und auch ein Angebot erhalten. Wegen der Gründung unserer eigenen Produktionsfirma Toys Musicalproduktion habe ich mich nach Disneys »Der Glöckner von Notre Dame« gegen ein weiteres Engagement auf der Bühne entschieden. Ich fand beide Bühnenfassungen von Harry Kupfer großartig, habe mich aber für meine Interpretation in München nicht davon inspirieren lassen.
blimu: Sie inszenieren nun an der Akademie. Normalerweise stehen Ihnen bereits ausgebildete Darsteller, die fest im Berufsleben sind, zur Verfügung. Was macht für Sie nun den Unterschied aus in der Zusammenarbeit mit den noch sehr jungen Darstellern, wo liegen die besonderen Herausforderungen oder aber auch die besonderen Freuden in der Zusammenarbeit?
AG: Ich muss sagen, dass es gar keinen so großen Unterschied macht, ob ich nun mit Studierenden oder »fertigen« Darsteller:innen arbeite. In beiden Fällen ist es mir ein Anliegen, die Ensemblemitglieder für eine bestimmte Lesart oder Interpretation eines Stückes zu begeistern. Es muss mir als Regisseur gelingen, dass sich ein Ensemble ein Stück zu eigen und zu »seinem« Stück macht. Das war mir in anderen Musicals mit großer Ensembleleistung ebenfalls sehr wichtig, z.B. in der Salzburger »Hair«-Produktion.
Bei den Studierenden der Bayerischen Theaterakademie August Everding habe ich dabei offene Türen eingerannt: Diese jungen Menschen brennen darauf, auf der Bühne zu stehen und sich weiterzuentwickeln. Ich kann sagen, dass ich mich jeden Tag auf die Proben mit diesen talentierten Studentinnen und Studenten freue.
blimu: Welche Aspekte des Stücks sind für Sie besonders hervorhebenswert?
AG: Ich finde an diesem Stück spannend, dass Michael Kunze und Sylvester Levay den Menschen Mozart untersucht haben, anstatt eine reine Glorifizierung des Genies zu zeigen. Dabei wird klar, in welche Konflikte eine Künstlerin oder ein Künstler generell geraten kann, wenn es um Abhängigkeiten vom Umfeld geht – das Elternhaus, Geld- und Auftraggeber, Produzenten, der Partner. Die Botschaft des Musicals »Mozart!« lautet, dass ein Künstler frei sein muss. Trotz des tragischen Endes Wolfgang Amadeus Mozarts gelingt ihm die vollkommene Vereinigung mit seiner Kunst und die künstlerische Befreiung. Das ist ein spannendes Thema, zu welchen Opfern ein Künstler für seine Kunst bereit sein muss. Und genau da beginnt unsere Konzeption der Münchner Inszenierung… Michael Kunze hat bereits unsere Proben besucht und war begeistert von diesem etwas anderen, heutigen Ansatz, der prädestiniert ist für die Studierenden, die gerade erst ihren künstlerischen Weg beginnen.
blimu: Wie ist Ihre Herangehensweise, kommen Sie mit einem völlig fertigen Regiekonzept zum ersten Tag der Proben oder lassen Sie, spezifisch in diesem Fall, die jungen Leute gezielt mitreden?
AG: Viele Parameter einer Inszenierung müssen bereits im Vorfeld festgelegt werden: Bühne, Kostüme und eine generelle Richtung, in die man als Regisseur gehen möchte. Prinzipiell geht es als Regisseur darum, Richtungen zu weisen. Nicht ohne Grund lautet der englische Begriff »Director« – also jemand, der »Directions« vorgibt. Innerhalb dieser Richtungen muss es aber darstellerische Freiheiten und Möglichkeiten der künstlerischen Mitsprache eines Ensembles geben. In meinen Produktionen sprechen wir oft über persönliche und generelle Themen, die man mit einem Stück in Verbindung bringen kann. So wird es dann jedem Mitglied einer Produktion wichtig, die Aussage des Stückes zu transportieren. Im Falle von »Mozart!« ist es faszinierend, dass eine Gruppe von jungen Menschen sich des Lebens dieses Ausnahmekünstlers annimmt. Das Ensemble untersucht anhand der Geschichte von Wolfgang Amadeus Mozart, was es bedeutet, Künstler zu sein. Es steigt in die Rollen ein, tritt wieder heraus und beobachtet dabei, wie sie sich gegenseitig die Szenen vorspielen. Wir beschäftigen uns also mit der Frage: »Was ist der Weg des Künstlers?«
blimu: Die ersten Bilder haben verraten, dass es ein etwas anderes Konzept gibt – der junge Wolfgang wird bei Ihnen nicht durch ein Kind dargestellt. Wie kam es zu diesem Entschluss und was waren Ihre Gedanken dahinter?
AG: Tatsächlich haben wir einen neuen Weg für die Darstellung des »Porzellankindes Amadé« gewählt: eine abstrakte Puppe. Das Porzellankind verkörpert innerhalb der Geschichte das »Genie« Mozarts – es handelt sich um eine ebenso abstrakte Allegorie. Wir durften in den Proben bereits feststellen, dass diese Puppe weitaus poetischer wirkt und mehr Spielmöglichkeiten bietet als ein echtes Kind. Sie ist Fluch und Segen für Wolfgang Amadeus Mozart… manchmal unterstützend und lieb, manchmal bedrohlich. Sie ist »nicht von dieser Welt«. Das Ende Mozarts wirkt weitaus dramatischer, wenn er schließlich von seinem »inneren Dämon« ausgesaugt wird.
blimu: Bei dem Kreativteam haben Sie sehr bekannte Köpfe um sich herum, über weite Strecken haben Sie auch schon in anderen – überwiegend – Großproduktionen miteinander gearbeitet. Wie viel anders ist Ihre gemeinsame Herangehensweise, je nachdem, ob Sie nun für die VBW oder für die Akademie planen?
AG: Tatsächlich machen wir – mein Team und ich – keinen Unterschied, ob wir für eine Longrun-Produktion an den VBW oder eine Produktion an der Bayerischen Theaterakademie August Everding mit fünf Vorstellungen arbeiten. Der kreative Aufwand ist der gleiche!
blimu: Sie werden in Kürze fest am Theater Baden bei Wien arbeiten. Werden Ihnen die vielen freien Arbeitsmöglichkeiten fehlen oder sehen Sie in dem festen Haus eine ganz besondere Chance?
AG: Ich freue mich schon sehr auf meine Aufgabe als Künstlerischer Leiter an der Bühne Baden. Nach »Jahren der Wanderschaft« hatte ich Sehnsucht nach einem festen Standort, an dem ich mich kreativ betätigen kann. Ich werde in der ersten Spielzeit von den sieben Produktionen, die wir zeigen werden, drei selbst inszenieren, um meine künstlerische Handschrift in Baden zu etablieren. Langeweile wird also nicht aufkommen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass ich auch langfristig gesehen Regiearbeiten in Hinblick auf Kooperationen außerhalb von Baden annehmen werde. In der ersten Spielzeit 2025/26 werde ich mich allerdings voll und ganz auf die Bühne Baden konzentrieren. Ich darf jetzt schon verraten, dass wir die Rechte von einigen echten Musicalkrachern gewinnen konnten. Das Publikum darf also gespannt sein…
blimu: In wenigen Tagen ist es so weit und das Stück wird Premiere feiern: Warum lohnt es sich, das Musical »Mozart!« jetzt neu zu entdecken, oder für die, die es bereits kennen, warum sollen sie unbedingt den Weg ins Prinzregententheater finden?
AG: Ich denke, es ist uns gelungen, eine neue Sichtweise auf das Stück zu finden – nicht historisierend, sondern relevant für ein heutiges Publikum. Und die jungen Talente der Bayerischen Theaterakademie August Everding lohnen den Besuch im Prinzregententheater allemal…
blimu: Herzlichen Dank für das Interview und ToiToiToi für die Premiere!
Interview Stephan Prattes
blickpunkt Musical: Sie sind für Ihre Arbeit beim Musical Award 2024 zweifach nominiert, einmal für Rock Me Amadeus und einmal für Abenteuerland – nun haben Sie das Bühnenbild für »Mozart!« an der Akademie geschaffen. Wie viel anders ist die Herangehensweise, ob man für eine Großproduktion oder für eine Studentenproduktion denkt und plant?
Stephan Prattes: Ja, die Nominierungen habe ich mitbekommen und mich sehr darüber gefreut. Das Großartige an der Produktion für die Akademie jetzt ist, dass man wesentlich freier ist. Wenn man etwas für eine Großproduktionen entwickelt, ist man quasi an einen gewissen Erfolg gekoppelt. Dass es finanziell und langfristig erfolgreich wird und so viele Geschmäcker wie möglich trifft. Der Vorteil hier bei der Akademie ist, dass man eigentlich genauso wie ein Schüler agieren und probieren kann: Etwas Neues, was man sonst vielleicht in den Großproduktionen gar nicht machen würde.
blimu: Wenn ich das richtig sehe, haben Sie auch mit den Studenten der Akademie zusammengearbeitet.
SP: Ja, das stimmt, es gab vorab einen kleinen Workshop. Aber im Endeffekt liegt die Hauptarbeit mit den Studenten dann schon bei Andreas Gergen.
Unser Thema, auch im Endeffekt im Entwurf, war: Leute, probiert mehr selbst. Also wir sagen euch jetzt nicht, was ihr machen sollt. Wir geben die Parameter, aber eigentlich geben wir euch einen freien Spielraum. Das war auch das Thema des Bühnenbilds. Das ist jetzt keine konkrete Visualisierung einer bestimmten Zeit oder eine handlungsunterstützende Dekoration oder eine Verbilderung, sondern ein Experimentierraum. Die Schüler sollen frei herangehen, ähnlich wie im Sport. Darum schaut es auch so ein bisschen aus wie eine Sportarena. Sie sollen die Geschichten selbst erleben. Man muss gar nicht behaupten, man ist jetzt irgendwo in Salzburg oder man ist am Friedhof. Sondern sie können das alles selbst darstellen. Mit ihrem Schauspiel. Das ist Thema des Bühnenbildes und des gesamten Konzepts dahinter. In den paar Momenten, in denen es wichtig ist zu zeigen, wo man ist, nutzen wir zwei Screens – die erklären handlungsunterstützend, an welchem Ort man gerade ist. Aber alles andere soll frei sein.
blimu: Daher kam dann vermutlich auch die Idee mit dem Boxring?
SP: Ja, es gibt einen großen Boxkampf zwischen Colorado und Mozart. Das ist natürlich in Wahrheit kein Boxkampf, sondern nur eine inhaltliche Auseinandersetzung – aber wir machen halt ein Boxspiel daraus und schauen, wer argumentativ gewinnt und wer verliert. Dieses Sportmotiv haben wir auch bei den Mozartkugeln angewandt, denn natürlich wäre es kein Stück über Mozart, wenn es keine Mozartkugeln gäbe. Also haben wir überlegt, was diese Kugeln alles sein könnten – es könnten Fußbälle sein. Auch Billardkugeln. Oder eine Kugel, quasi wie eine Schicksalskugel, auf der das Porzellankind balanciert. Die sind ständig da, auch als eine Art Metapher für seine Freiheit – in dem Moment, in dem sich Mozart dafür entscheidet, dass er jetzt auf alles scheißt, fallen zum Beispiel die ganzen Mozartkugeln von oben herab. Während später die Mozartkugel dann schon so groß ist, dass sie ihn fast erdrückt. Die Kugeln sind sehr assoziativ, sehr spielerisch, und wir können mit dem ganzen Konzept die Geschichte auf eine völlig andere, neue Weise erzählen. Sehr unkonventionell.
blimu: Wie entstehen solche Ideen, setzen Sie sich mit Herrn Gergen zusammen und denken sich: So wurde es bereits inszeniert, lass uns etwas ganz Neues machen? Etwas ganz Freies?
SP: Der Ablauf ist ehrlich gesagt ganz einfach, gerade, wenn man sich so gut kennt wie er und ich. Wir haben gemeinsam geredet und sehr schnell ist uns dann klar geworden, was wir eigentlich wollen, also in welche wir Richtung wir das wollen. Natürlich diskutieren wir dann auch, was im Rahmen der Schule und für die Schüler sinnvoll ist. Aber das erste Gespräch ist eigentlich vor allem immer sehr lustgetrieben. Dann kommen die ganzen anderen Baustellen, die man beachten muss: Wie viel Budget hat man, was sind die Rahmenbedingungen? Hier zum Beispiel hat man den Vorteil, dass es ein sogenannter Durchsteher ist. Das Bühnenbild steht bis zur letzten Aufführung, das ermöglicht, dass wir etwas Großes hinstellen können, weil es eben nicht ab- und aufgebaut werden muss. Das sind alles Aspekte, die oft gar nichts mit dem Stück, sondern nur mit den äußeren Gegebenheiten zu tun haben. Bei Andreas und mir war, mit den hier vorliegenden Gegebenheiten, sehr schnell klar, dass wir wirklich das machen wollen, worauf wir auch Lust haben. Wir sind mittlerweile alte Hasen im Geschäft, aber manchmal wollen wir auch einfach wieder mit junger Energie drangehen und machen, auf was wir Bock haben, ungeachtet der Dinge, die bei Großproduktionen von den Produzenten vorgebeben werden.
blimu: Jetzt haben Sie es eben schon erwähnt, die finanziellen Mittel bei so einer Inszenierung sind sicherlich geringer als bei Großproduktionen. Dafür braucht es mehr Ideenreichtum. Auf was bei dieser Produktion sind Sie besonders stolz? Welcher Moment ist Ihnen in Ihren Augen außergewöhnlich gut gelungen?
SP: Also außergewöhnlich gut? Puh, ich finde, das Licht ist ganz großartig geworden. Ich finde den ziemlich freien Umgang mit den Mozart-Kugeln ganz toll, den Andreas dann auch mit kreiert hat. Und dann wie dann das Porzellankind zum Beispiel auf der Kugel spielt, als würde es auf einer riesigen Mozartkugel das Schicksal Mozarts kommentieren. Und wir haben ein rotes Klavier, das schwebt. Das ist sozusagen das Hauptinstrument von Mozart, auf dem er komponiert hat. Das schwebt herein, kippt aber dann zum Schluss im zweiten Teil und erzählt so auch ein bisschen, dass es nicht ganz rund läuft in Mozarts Welt, auch in der Beziehung zwischen Mozart und seiner Frau. Hach, wenn ich nachdenke, gibt es viele Momente, die mir wirklich gut gefallen, lustigerweise. Also vor allem eigentlich der, wenn die Mozart-Kugeln vom Himmel fallen. Das ist ein ganz toller Moment. Und dann natürlich, wenn die ganzen Leute auf den Gerüsten herumklettern. Da kann man wahnsinnig viel erzählen, ohne irgendwie genau was zu bebildern, sondern alleine nur mit der Person im Raum. Dazu gibt es ein tolles Buch von Peter Brook, »Der leere Raum«. Was man alles erzählen kann, ohne vor etwas Realistischem zu stehen.
blimu: Das macht ja Musicals oft aus, also genau genommen das Theater allgemein, nicht nur Musical. Die Schönheit, dass man eigentlich nichts braucht, um trotzdem alles und jeder sein zu können.
SP: Ja, genau richtig. Musical ist immer ein assoziativer Freiraum. Man kann von A nach B springen, wenn es gut gemacht ist, wenn die Emotionen da sind, verstehen die Zuschauer es.
blimu: Sie haben eben das Porzellankind erwähnt. In dieser Inszenierung haben Sie es als Puppe umgesetzt. Ist das für Sie herausfordernd, das zu integrieren?
SP: Nein, überhaupt nicht. Das war von vornherein ein Puppenspiel und so etwas ist im Moment ja auch ein bisschen eine Mode, also mit Puppen zu spielen. Mit einer Puppe kannst du ganz viel erzählen und du bist viel freier, auch als Schauspieler, als wenn du mit einem echten Kind spielst. Bei einem Kind muss man immer darauf achten, wie es agiert, was man ihm zumuten und zutrauen kann. Eine Puppe nimmt alles, was man spielt, einfach an. Und das kann dann auch ganz unheimlich werden, denn am Schluss, so viel sei verraten, bringt das Porzellankind ihn auch um. Und diese verschiedenen Seiten sind so spannend. Es ist auf der einen Seite so liebevoll, macht ganz liebe Kommentare. Aber dann wiederum ist es so böse, wie sonst vermutlich niemand zu ihm wäre.
blimu: Also im Prinzip wurde das innere Ich von Mozart als Puppe umgesetzt?
SP: Ja, genau. Das innere Ich, das viele verschiedene Charaktereigenschaften, viele Facetten hat. Unseres glänzt so weiß und glitzert, wir haben es mit Strasssteinen belegt, das unterstreicht sowohl das Gute als auch das Böse. Es ist tatsächlich unglaublich, wie das wirken kann.
blimu: Wenn ich Ihnen zuhöre, ist es ausgesprochen schade, dass es nur so wenige Aufführungen gibt.
SP: Ja, in der Tat ist das leider das Konzept der August Everding. Sie spielen immer nur kurz, und wollen aber auch immer nur das Beste. Für manche Schüler ist es ja eine Abschlussprüfung. Aber jetzt bei der Orchesterprobe habe ich mir gedacht, dass das wirklich das Potenzial hätte, genauso in dieser Inszenierung viel länger erfolgreich zu laufen.
blimu: Eingefleischte Musical, bzw. auch »Mozart!«–Fans oder Zuschauer, die dieses Stück bereits kennen, sollten aber unbedingt nach München kommen und es sich anschauen, weil…
SP: Weil es in erster Linie ein wirklich gutes Stück ist. Die Geschichte ist super gebaut, wenn man sich für Mozart interessiert, kann hier viel über ihn lernen. Wenn man sich für Musical interessiert, kann man hier einen sehr unkonventionellen Abend erleben. Ein frischer Zugang, fernab der gängigen Großproduktionen. Einfach cool, offen. Anders.
blimu: Herzlichen Dank für das Interview und ToiToiToi für die Premiere!
Interview Christian Sattler
blickpunkt musical: Das Stück» Mozart!« feierte 1999 seine Uraufführung – haben Sie es, vor Ihrer Arbeit nun mit dem Stück, schon einmal in einer Inszenierung gesehen bzw. kannten Sie die Musik und die Handlung vorab gut?
Christian Sattler: Live habe ich bisher leider noch keine »Mozart!«-Inszenierung sehen können. Tatsächlich kenne ich aber die Inszenierung der Vereinigten Bühnen Wien aus dem Jahre 2015 schon ziemlich lange. Zur Vorbereitung auf die Rolle habe ich jedoch versucht, meine Hörgewohnheit beiseitezulegen und meinen eigenen Klang für Mozart zu kreieren. Dennoch war es in der Arbeit ein Vorteil, das Stück, die Handlung und auch Hintergründe und Orte bereits intensiv zu kennen. Als historische Basis für meinen dramatischen Mozart war ich im letzten Sommer sogar auf Mozarts Spuren in Salzburg unterwegs. Es ist eine enorme Ehre, diese Person verkörpern zu dürfen, und keine Vorbereitung könnte dafür genügen.
blimu: Als das Stück damals in Wien spielte, wurde Yngve Gasoy-Romdal zu einem großen Star gemacht, die ganze Stadt war mit seinem Konterfei plakatiert. Diese Inszenierung hier ist kleiner, Sie spielen auf der Bühne den großen Star, der mit sich selbst immer wieder hadert – können aber dann unbemerkt nach Hause gehen und dort Ihr normales Leben führen. Sie stehen ganz am Anfang Ihrer Karriere – ist Star-Ruhm für Sie zurzeit noch eher verlockend oder eher beänstigend?
CS: Erstmal glaube ich, dass es in einem Ensemble keine großen Stars gibt, zumal ich mir die Rolle auch mit meinen Kollegen Jens Emmert und Raphael Binde teile und jeder von uns verschiedene Aspekte Mozarts beleuchtet. Unsere Inszenierung ist in erster Linie vor allem anders als die bisherigen Inszenierungen von »Mozart!«. Und durch das Münchner Rundfunkorchester spielen wir, bezogen auf die Orchesterbesetzung, mit die größte musikalische Fassung, die von diesem Stück je gespielt wurde. Ihre Frage bezüglich des Star-Ruhms ist eine wirklich interessante, mit der sich das Stück und vor allem die Figur des Mozart ja intensiv auseinandersetzt und schätzungsweise für jeden eine andere Antwort parat hält. Ich persönlich lerne von Mozart, dass das Leben eines Künstlers eine gesunde Balance zwischen Bühne und dem alltäglichen Leben beinhalten sollte. Denn schließlich ist es das, was er bei seinem Tod reflektiert und versteht. Die Momente auf der Bühne und das Dem-Publikum-Dienen sind der größte Ruhm und auch das größte Geschenk, welches ich erwarten und genießen kann. Denn ohne das Publikum dürfte ich nicht machen, was ich liebe. Also nein, beängstigend ist dieser innige Kontakt nicht. Das normale Leben wird sicher immer genug Platz finden, denn schließlich sind wir alle kein neuer Wolfgang Amadeus Mozart. Es wird hoffentlich nicht dazu kommen, dass ich mich eines Tages fragen muss, ob ich mein Privatleben komplett für die Kunst geopfert habe. Ich hoffe vielmehr, dass mein Privatleben durch meine Kunst erfüllt und bereichert wird.
blimu: In welchem Bühnenmoment fühlen Sie sich am meisten mit Wolfgang Amadé verbunden und welcher seiner Seiten sind Ihnen völlig fremd?
CS: Nach sieben Wochen Proben ist Wolfgang wirklich zu einem Teil von mir geworden, hat viel von mir persönlich bekommen. Ich habe viel von ihm gelernt und durfte an und mit dieser Rolle wachsen. Sich für einen Bühnenmoment zu entscheiden, fällt mir daher schwer. Es gibt durch das vielschichtige Buch und die berührende Musik schlichtweg zu viele gute Momente. Da uns beide auf jeden Fall die Liebe zur Musik verbindet, haben wir dahingehend eine enge Verbindung. Auch wenn ich mich niemals mit ›Ich bin Musik‹ betiteln würde! Allerdings glaube ich, dass ich gerade mehr von dieser Selbstsicherheit und diesem bedingungslosen Vertrauen in die eigene Kunst gebrauchen könnte. In diesem Punkt ist er mir fremder. Mozarts Selbstsicherheit wirkt wahrscheinlich auf den ersten Blick arrogant und sicher weist er, so wie Michael Kunze ihn geschrieben hat, diese Arroganz auch auf – dennoch halte ich diese für einen Künstler in einem gesunden Maß für einen benötigten Selbstschutz. In solchen Fällen ist dieser Mozart schlichtweg ein beeindruckendes Vorbild.
blimu: Sie arbeiten hier mit den Größen des Musicals zusammen, Andreas Gergen, Stephan Prattes, Conny Lüders u.a. Wie nehmen Sie als Studenten die Arbeit mit diesen Personen wahr?
CS: Es ist eine Freude, in so einem riesigen Bühnenbild zu spielen und so ein schönes und vor allem wertvolles Mozartkostüm tragen zu dürfen. Für mich als Student ist das eine große Ehre, aber vor allem auch eine große Chance, von der Erfahrung dieser Menschen lernen zu können. Zudem ist es eine angenehme Zusammenarbeit, und ich habe mich nie als Student, sondern immer als jüngerer Kollege gefühlt, der im Team lernen und wachsen darf. Die Arbeit mit Andreas Gergen empfinde ich als sehr lehrreichen Prozess, da er spannende Einblicke in die professionelle Erarbeitung eines Stückes gibt, uns aber dennoch immer den Raum für unsere eigenen Entscheidungen und Gedanken gelassen hat. Hier bei »Mozart!« und im Allgemeinen an der Bayerischen Theaterakademie August Everding haben wir alle die Chance, unsere Qualifikationen immer weiter zu steigern und zu vertiefen. Ich könnte dem obengenannten Team sowie Andreas Kowalewitz (Musikalische Leitung), Alex Frei (Choreografie), Udo Nottelmann (Gesangsdozent) und Marianne Larsen (Leiterin des Studiengang Musicals) nicht dankbarer für diese Chance sein.
blimu: Sie sind noch mitten in den Proben, die Premiere rückt aber bereits näher. Gibt es Momente, die Sie (noch) mit Ehrfurcht erfüllen?
CS: Ja, ganz klar: die einmalige Möglichkeit, diese wundervolle Musik von Sylvester Levay mit dem Münchner Rundfunkorchester singen zu dürfen. Wann hat man als Musicaldarsteller schon mal die Möglichkeit, mit über 40 Musiker:innen zusammen zu spielen?!
blimu: Was ist Ihr absoluter Lieblingsmoment auf der Bühne?
CS: Eine Entscheidung fällt mir schwer, aber zum Beispiel das Duett mit dem Vater Leopold Mozart (Ehab Eissa), aber auch der Tod der Mutter (Amy Sellung) und die damit verbundene Nummer ›Was für ein grausames Leben‹ sind sehr emotional. Aus schauspielerischer Sicht ist letzterer einer meiner Lieblingsmomente. Besonders befreiend dagegen ist die Nummer ›Ich bin Musik‹, denn dieser Song bietet mir wunderbare Freiheit und Sorglosigkeit.
blimu: Wir wünschen Ihnen ToiToiToi für die Premiere und freuen uns, Ihre Karriere weiter zu verfolgen!
CS: Vielen Dank, ich bin sehr gespannt, wo die Reise hingeht.
TERMINE
• Premiere am Mittwoch, 13.11.2024, 19:30 Uhr
• Freitag, 15.11.2024, 19:30 Uhr
• Sonntag, 17.11.2024, 18:00 Uhr
• Dienstag, 19.11.2024, 19:30 Uhr
• Freitag, 22.11.2024, 19:30 Uhr
Werkeinführung jeweils 45 Minuten vor Beginn
Großes Haus Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12, 81675 München
Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz
Inszenierung Andreas Gergen
Bühne Stephan Prattes
Kostüm Conny Lüders
Choreographie Alex Frei
Weitere Information und Tickets: www.theaterakademie.de