Snow White and Me: Interview mit den vier Hauptdarsteller:innen: Elisabeth Birgmeier, Melanie Gebhard, Sophia Bauer und Marvin Schütt

Am 3. August findet auf der Freilichtbühne am Schwanenteich Zwickau die deutsche Erstaufführung des Musicals »Snow White and Me« (»Schneewittchen und ich«) der britischen Komponistin Pippa Cleary (Buch und Liedtexte von Philip LaZebnik und Ronald Kruschak) statt. »Snow White and Me« erzählt die Geschichte von Schneewittchen auf eine etwas andere Weise. Es verbindet zwei Welten miteinander, nämlich die Menschenwelt, in der wir leben, und die Märchenwelt. 

Wir hatten das Vergnügen, uns nach der ersten Hälfte der Proben mit den Darstellerinnen der drei weiblichen Hauptrollen (Schneewittchen, ihre Freundin Doro und die böse Königin Endora) sowie ihrem etwas unfreiwilligen Prinzen Florian zu treffen und von ihnen Interessantes über ihre Rollen und die ganz besondere Märchenwelt in diesem Stück erfahren.

blickpunkt musical: Können Sie uns zunächst einmal etwas über Ihre Rollen erzählen?

Foto: Ingrid Kernbach

Elisabeth Birgmeier: Also ich spiele Schneewittchen, eine der vier Hauptrollen. Es geht eben bei uns aber nicht nur um Schneewittchen, sondern um verschiedene Märchen und eine ganz neue Geschichte, die anders ist als sonst.  Ich komme zwar aus der Märchenwelt, bin dann aber kurzfristig in der realen Welt als Schneewittchen, verliere dann dort mein Gedächtnis und bin dann erstmal eine Person namens Alex. Aber letztendlich gibt es schon diese ursprüngliche Geschichte mit in dem giftigen Apfel und der bösen Königin. Es wird spannend, ob ich mein wahres Ich wiederfinde.

Melanie Gebhard: Die böse Königin Endora, die böse Stiefmutter von Schneewittchen, bin ich. Wir sind im Prinzip alles Märchenfiguren, die immer dann wieder mit ihrer Geschichte zum Tragen kommen, wenn dieses eine Märchenbuch, zu dem wir gehören, gelesen wird, und dann muss ich, wie es das Märchen verlangt, als Endora in den Spiegel an der Wand schauen und am Ende in die rot glühenden Schuhe schlüpfen, wie es in der Version der Gebrüder Grimm geschrieben steht.
Wie wir wissen, gewinnen in den Märchen am Ende immer die Guten. In unserer Geschichte ist es aber so, dass ich dann plötzlich lerne, dass man die Märchen ändern kann.  Und dann denke ich: »Oh, wäre es nicht schön, wenn die Bösewichte gewinnen würden?« Davon, dass immer nur die Guten gewinnen, habe ich schon lange genug. Ich fange also, an die Geschichten zu ändern, aber natürlich bringt das einiges durcheinander in dieser Märchenwelt.

Foto: Ingrid Kernbach

Sophia Bauer: Ich bin als einzige keine Märchenfigur, sondern Doro, ein Mädchen aus der realen Welt. Doro ist, finde ich, ein sehr aufgeweckter Mensch. Sie hat aber auch sehr romantische Vorstellungen und ist ein totaler Märchen-Fan. Ich finde es interessant, dass sie sich in so eine idealisierte Märchenwelt flüchtet, dann aber merkt, dass diese Welt gar nicht so ideal ist, wie sie scheint. Mir gefällt Doros Grundvertrauen ins Leben und ihre Lebensfreude. Sie sagt im Stück z. B.: »Wir müssen der Welt vertrauen, wir dürfen nicht vergessen zu träumen und zu spielen«. Das finde ich so schön und da finde ich mich auch total wieder.
Ich finde es sehr wichtig, gerade in der jetzigen Zeit das Gute zu sehen und sich daran festzuhalten und trotzdem den Problemen nicht aus dem Weg zu gehen. Ich denke, das widerspricht sich auch nicht. Wir sollten den Menschen die Möglichkeit geben, sich zu verändern. Ich finde, da ist Doro echt auch eine wichtige Rolle

Foto: Marvin K. Schütt

Marvin Schütt: Florian ist einer von den Prinzen, die scheitern, bevor der wahre Held kommt und alle rettet. Diese Art zweitrangiger Märchenfiguren gehört genauso zu der Geschichte wie die großen Helden, die schönen Prinzessinnen und die Bösewichter. Florian ist in Schneewittchen verliebt, kann seine Liebe aber nicht ausleben, weil Schneewittchen schon ihrem Märchenprinzen versprochen ist. Er hält sich zunächst gewissenhaft daran, wie die Märchen geschrieben sind, allerdings bemerkt er mit der Zeit, dass er so viel mehr ist als nur ein Versager. Als er erfährt, dass die böse Königin Endora alle Märchen verändert, nimmt er all seinen Mut zusammen, um Schneewittchen zu retten.

blimu: Es gab ja von dem Stück eine englische Workshop-Fassung und eine Produktion in Brno (Brünn) in Tschechien. Haben Sie etwas davon gesehen bzw., kannten Sie das Stück vorher?

MG: Es gibt ein Video der tschechischen Version ‒ das habe ich, so muss ich gestehen, nicht komplett angeschaut, denn ein zweieinhalb Stunden langes Musical in einer Sprache, die man gar nicht versteht, das ist schon anstrengend. Wobei die Darsteller da wirklich toll gespielt und gesungen haben.

MS: Vor dieser Produktion kannte ich das Musical leider nicht. Umso mehr freue ich mich, bei der deutschen Erstaufführung dabei zu sein.

blimu: Was, würden Sie sagen, ist an der Produktion besonders? Es ist ja eine deutsche Erstaufführung?

Foto: André Leischner Fotografie

SB: Dass es im Freien stattfindet, ist schon etwas Besonderes, weil wir eben einen viel größeren Raum bespielen auf den beiden Freilichtbühnen (neben Zwickau spielt das Stück auch noch im Parktheater Plauen, Anm.d.Red.). Die Fülle an Menschen und die bunten Figuren ergeben eine Traumwelt einer Märchenlandschaft. Das wird bunt und fulminant und lebendig. Das Ensemble ist ganz prima. Wir verstehen uns alle super untereinander und wir haben so viel Spaß. Klar ist es auch anstrengend, aber wir geben aufeinander acht und haben Lust, etwas miteinander zu schaffen. Und das ist echt unheimlich toll.

MG: Unsere Produktion finde ich insgesamt super.  Wir haben unglaublich viele Mitwirkende auf der Bühne. Es ist ja spartenübergreifend innerhalb des Theaters inszeniert, also haben wir das Musiktheater, wo z.B. Elisabeth Teil davon ist, dann haben wir aber auch noch das Schauspiel und das Jugendtheater (JUPZ) dabei, das Ballett, Chor und Extrachor, und Gäste, wie Marvin und mich. Und es gibt so viele Kostüme. Wir haben ja eine richtige Kostümschlacht! In den Märchen gibt es eben so viele Figuren und am Anfang, als wir das Konzept vorgestellt bekommen haben, bekamen wir rund 50 Zeichnungen mit verschiedenen Figuren und ihren Kostümen von der Kostümdesignerin präsentiert Es gibt natürlich auch Personen, die mal das eine und mal das andere Kostüm anhaben, aber es gibt dennoch unglaublich viele Rollen. Und bei einer Deutschen Erstaufführung musst du dir alles neu erarbeiten, das war besonders spannend.

Foto: André Leischner Fotografie

EB: Ich freue mich darauf und denke, auch dass es spannend wird, auch weil es ja im Tageslicht gespielt wird. Das heißt, es fehlen so ein bisschen die Lichteffektsachen, aber deshalb wird eben viel Fokus auf die Kostüme gelegt. Es ist sehr bunt und groß inszeniert und es passiert sehr viel, was den Fokus auf sich zieht. Ich glaube, dass alleine die Musik und der Tanz gut harmonieren.
Spannend ist das Neue daran, es ist ein ganz neues Stück, das man nirgendwo nachhören kann und wo man noch mal genau checken muss, wie geht die nicht gerade unkomplizierte Story. Da hängt es dann manchmal, dass man echt die Rolle noch mal verinnerlichen muss, und es gab auch noch einiges an Änderungen. Ein bisschen positives Chaos, aber es war schön.

Foto: André Leischner Fotografie

MS: Die Proben sind sehr aufregend, da alle Sparten des Hauses vertreten sind, und das Orchester vom Theater Plauen-Zwickau ist auch dabei. Das ist eine große Menge an tollen Darsteller:innen, die eine aufwendige Koordination fordert. Die Musik von Pippa Cleary ist wunderschön und sorgt für hartnäckige Ohrwürmer, aber auch die Geschichte ist wild und voller Überraschungen.

blimu: Ist das Stück denn auch etwas für Kinder? Manche Märchen sind ja schon auch ein bisschen gruselig und brutal? Und wie wird die Märchenwelt im Stück gezeigt bzw. unterscheidet sich von dem, wie wir die Märchen kennen?

SB: Auf alle Fälle ist das Stück für alle geeignet. Zwar hört sich Märchen erst mal sehr nach Kinderstück an, aber Märchen sind durchaus auch etwas für Erwachsene und ich finde jede Altersschicht und Generation kann etwas Unterschiedliches darin lesen. Es kommen ja auch immer nur Teile der ursprünglichen Geschichten vor. Ich finde, es ist immer schön, sich die Märchen noch mal durchzulesen, auch als Erwachsener. Aber das Stück kann man auch ohne Kenntnisse der ursprünglichen Märchen anschauen.

EB: Es ist schon ein Familienstück und es ist definitiv für Jung und Alt. Ich glaube, es funktioniert auch für wirklich kleine Kinder. Man muss einfach ein bisschen abwägen. Letztendlich müssen die Eltern selbst entscheiden, ob das eigene Kind schon so weit ist. Es ist aber definitiv auch für Erwachsene spannend. Ich finde es cool, weil man Märchen vielleicht aus dem Buch kennt oder als Zeichentrick, aber das ist immer diese eine Story. Aber was würde jetzt eben Rumpelstilzchen in der Welt machen, wo alle Märchenfiguren vertreten sind und sich alles ändert. Wie verhält er sich oder was macht dann Endora tagsüber, wenn sie nicht in den Spiegel guckt und mal nicht Schneewittchen stranguliert. Ich finde das spannend, sich da noch mal neue Geschichten auszudenken, aber auch die Grundgeschichte im Hinterkopf zu haben. So ist es bei uns auch: Du hast immer trotzdem diese Grundidee, jetzt in meinem Fall mit Schneewittchen, ich beiße in den Apfel, und Schneewittchen wird immer von dem Prinzen erlöst. Aber bei uns ist es halt so, dass Schneewittchen den gar nicht mag. Sie mag ihren Jugendfreund Florian viel lieber, aber er ist halt nicht der offizielle Prinz. Das ist halt ganz spannend, dass er sich aus der echten Liebe heraus und nicht, weil die Geschichte es vorgibt, in dieses ganze Chaos stürzt und sie suchen und retten möchte und sie auch findet. Die Grundgeschichte bleibt, aber zwischendurch passieren dann doch andere Sachen. Das finde ich witzig.

Foto: André Leischner Fotografie

MG: Klar, die Bösewichte können manchmal schon ein bisschen gruselig wirken. Ich bin ja die böse Königin. Kostümtechnisch ist es vielleicht so eine Mischung aus Schneewittchens Stiefmutter aus dem Disneyfilm und Disneys Maleficent mit den Hörnern. Aber trotzdem ist es definitiv ein Stück für alle. Kinder und Erwachsene, auch Erwachsene ohne Kinder. Das Thema Märchen bedeutet nicht gleich Kindermusical. Wir bieten Spaß, der auf Märchen basiert, aber eine völlig neue Geschichte erzählt. Und Musicalfans werden sowieso auf ihre Kosten kommen mit tollen Popmusiknummern und richtig großen Showstoppern, alles natürlich mit Live-Orchester und Band. Ich habe jedenfalls die Bösewichte auf meiner Seite. Sie sind meine Spielgefährten, oder wie Endora sie gerne nennt, »meine Knechte oder Handlanger« – Dabei spielen Rumpelstilzchen und der böse Wolf eine größere Rolle. Ich finde es lustig, dass die Märchen so durchgemischt werden. Denn eigentlich wären es ja verschiedene Märchenwelten, aber bei uns kommen alle Märchen in einer einzigen Welt zusammen.

blimu: Zum Schluss noch eine Frage: Warum sollte man sich das Stück unbedingt anschauen?

MG: Es gibt viel gute Musik, es gibt einiges zu lachen, es gibt eine ganze Menge toller Kostüme und Darsteller auf der Bühne. Das Stück unterhält und bringt Stimmung. Es wird auch emotional. Also Taschentücher einpacken.

SB: Weil es einen in eine andere Welt verzaubert. Weil es von Freundschaft erzählt und den Blick auf das Positive behält. Obwohl die Geschichte manchmal tragisch ist, ist am Ende alles gut, und ich finde, das ist in der heutigen Zeit eine wichtige Botschaft. Und es gibt wahnsinnig viel zu entdecken.


Über das Stück und seine verschiedenen Fassungen kann man auch in der gerade frisch gedruckten Ausgabe Nr. 130 / 04/2024 der blickpunkt musical ein Interview mit Regisseur Chris Murray lesen.

Zu den Personen:

Melanie Gebhard (Endora): Melanie spielte schon viele Hauptrollen in namhaften Musicals, wie u. a. Elphaba in »Wicked« (Stuttgart, Oberhausen), Lisa Wartberg und Frau Grabsteindl in »Ich war noch niemals in New York« (Wien), Baronin von Waldstätten in »Mozart!«  (Duisburg, Shanghai), Molly in »Ghost« (Berlin), Kate Mullins in »Titanic« (Bad Hersfeld), Mary Nirvana in »Sister Act« (Stuttgart). Zuletzt spielte sie im Schlosstheater Fulda in der Weltpremiere des Musicals »Robin Hood« die Rolle der  Äbtissin von Kirklees. In Plauen /Zwickau war sie bereits als Morticia Addams (»The Addams Family«) und Morgana (»Artus Excalibur«) zu erleben.

Elisabeth Birgmeier (Schneewittchen): Elisabeth stammt aus München und studierte in Freiburg. Debüt 2017 als Taumännchen in »Hänsel und Gretel«, Gastspiele in Freiburg, München, Baden-Baden und Ettlingen (Adele in »Die Fledermaus«). Seit 2022 ist sie fest im Ensemble in Plauen/Zwickau und sang hier u.a. Adele (»Die Fledermaus«), Wednesday Addams (»The Addams Family«) und Guinevere (»Artus Excalibur«)

Sophia Bauer (Doro): Sophia studierte in Berlin Schauspiel, hat aber auch Band- und Musicalerfahrung. Sie gastierte an verschiedenen Theatern in Berlin und war von 2022-24 im Ensemble der Jungen WLB (Jugendtheatersparte der Württembergischen Landesbühne Esslingen). Ab der kommenden Spielzeit ist sie fest im Ensemble des JUPZ!, der Jugendtheatersparte des Theaters Plauen-Zwickau. Sie debütiert mit der Rolle der Doro am Haus.

Marvin Kobus Schütt (Florian): Marvin studierte Musical an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Er gastierte in Bielefeld als Moritz (»Frühlings Erwachen«) und als Sky in der »Mamma Mia«-Tournee von Stage Entertainment. Er spielte Roger und Erwin in »Tina ‒ Das Tina Turner Musical« in Hamburg und gehörte 2023 zum Ensemble der deutschsprachigen Erstaufführung von »Der Medicus« am Deutschen Theater München. Florian ist sein Debüt am Theater Plauen-Zwickau.