CD des Monats: September 2024

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The Outsiders

Original Broadway Cast 2024

Francis Ford Coppolas Film »Die Outsider« aus dem Jahr 1983, der seinerseits auf Susan E. Hintons gleichnamigem Roman von 1967 basiert, brauchte 40 Jahre bis zur Uraufführung der Musicaladaption am renommierten La Jolla Playhouse in San Diego. Dann ging es aber ganz schnell: Schon im Frühjahr 2024 feierte die Show am Broadway Premiere und traf dort offenbar einen Nerv. Von zwölf Tony Award-Nominierungen konnte »The Outsiders« vier Trophäen mit nach Hause nehmen, darunter auch den Preis in der wichtigsten Kategorie als »Best Musical«. Infolgedessen spielte das Stück zum Zeitpunkt, als dieser Artikel verfasst wurde, immer noch regelmäßig vor vollem Haus bei einer Auslastung von über 100 Prozent. Keine Spur also von Außenseiter-Status für diese »Outsider«…

Adam Rapp (Bruder des »Rent«-Stars Anthony Rapp) und Justin Levine adaptierten die Geschichte für die Bühne: Die Handlung dreht sich um den vierzehnjährigen Ponyboy Curtis, der seit dem Tod der Eltern mit seinen beiden älteren Brüdern im Tulsa (Oklahoma) des Jahres 1967 in die Fehde zweier verfeindeter Jugendgangs aus unterschiedlichen sozialen Schichten gerät. Im Lauf der Ereignisse wird der Anführer der gegnerischen Bande von Ponyboys bestem Freund Johnny erstochen (schöne Grüße von der »West Side Story«), gerät eine Kirche voller Kinder in Brand, gibt es weitere brutale Kämpfe und Todesopfer… Keine leichte Kost also, sondern ein Drama mit sozialem Zündstoff, der leider auch heute noch (oder wieder) aktuell ist.

Für die Musik und die Songtexte zeichnet Justin Levine gemeinsam mit Jonathan Clay und Zach Chance von der Folk-Rock-Band Jamestown Revival verantwortlich. Gleich der Opener »Tulsa ‘67« legt die Koordinaten der atmosphärisch dichten Partitur fest: Blues und Bluegrass liefern das Grundvokabular, zarte Folkballaden und treibender Rock’n’Roll bilden die Eckpfeiler des Stilspektrums. Das klingt erfrischend anders als das Gros des Standard-Broadway-Repertoires, reiht sich zugleich aber perfekt in eine noch recht junge Tradition von Americana-lastigen Musicalpartituren der letzten Jahre ein. Doch die Qualität des Songwritings war bei keinem dieser stilistisch vergleichbaren Werke von »Bright Star« bis »Shucked« so hoch wie hier. Man wird beim Hören der Cast-CD unweigerlich in die Geschichte hineingezogen, fiebert mit Ponyboy und seinen Freunden mit und wird von der neunköpfigen Band unter dem Dirigat von Matt Hinkley (Arrangements: Justin Levine) auf eine packende musikalische Reise ins ländliche Amerika der 1960er Jahre mitgenommen. Fast jeder Titel ist hier ein Volltreffer, aber als Anspieltipps seien stellvertretend Songs wie ›Grease Got a Hold‹ ›Runs in the Family‹, ›Friday at the Drive-in‹, ›Death’s at My Door‹, ›Throwing in the Towel‹, ›Hoods Turned Heroes‹, ›Little Brother‹ oder ›Stay Gold‹ genannt. Man wird beim Hören dieser rundum gelungenen Kompositionen direkt neugierig auf die CD-Veröffentlichung von Shaina Taubs »Suffs«, das »The Outsiders« den Tony für die beste Partitur wegschnappte.

Brody Grant wurde für seine Darstellung des Ponyboy für praktisch alle wichtigen US-Theaterpreise nominiert und bei den diesjährigen Theatre World Awards für sein herausragendes Broadway-Debüt in dieser Rolle ausgezeichnet. Er verleiht seinem Charakter eine antrainierte harte Schale ebenso wie eine durch die Oberfläche scheinende Verletzlichkeit und Unsicherheit. Er ist der perfekte Protagonist für diese Geschichte, dem man auch Fehltritte verzeiht und dessen Figur man für die weitere Reise nach dem Ende der Musicalhandlung nur das Beste wünscht. Gesanglich liegt ihm die Stilistik der Partitur ebenso natürlich und mühelos wie dem Rest des hoch motivierten Ensembles. Sky Lakota-Lynch (Johnny), Emma Pittman (Cherry), Brent Comer (Darrel), Joshua Boone (Dallas) oder Jason Schmidt (Sodapop) erhalten Gelegenheit, sich auch solistisch zu profilieren, aber der ganze Cast glänzt mit energetischen und prächtig gesungenen Darbietungen.

Fazit: Ein packendes neues Musical mit großartiger Partitur und zu Recht »Best Musical« bei den Tony Awards. Unbedingt reinhören!

CD im Jewel-Case
Gesamtlaufzeit: 63:33 min.
36-seitiges Booklet mit Credits, Liner Notes, Songtexten und Fotos

Songliste:

01. Tulsa ’67
02. Grease Got a Hold
03. Runs in the Family
04. Great Expectations
05. Friday at the Drive-In
06. I Could Talk to You All Night
07. Runs in the Family (Reprise)
08. Far Away from Tulsa
09. Run Run Brother
10. Justice for Tulsa
11. Death’s at My Door
12. Throwing in the Towel
13. Soda’s Letter
14. Hoods Turned Heroes
15. Hopeless War
16. Trouble
17. Little Brother
18. Stay Gold
19. Finale (Tulsa ’67)