Heute feiert, prominent besetzt, »Die Weihnachtsbäckerei« in Berlin Premiere – das Stück von Martin Lingnau, Hannah Kohl und Rolf Zuckowski erfreut sich seit einigen Jahren größter Beliebtheit und die Inszenierung von Caroline Spieß wird allein dieses Jahr an fünf Standorten gleichzeitig gespielt. Wir durften mit Rolf Zuckowski über diesen und seine anderen, nicht minder großen, Erfolge, seine Arbeitsweise und über die Wichtigkeit von Musik im Leben von uns allen reden.
blickpunkt musical: Lieber Her Zuckowski, erst einmal ein Kompliment an Sie. Auch wenn wir heute vor allem über »Die Weihnachtsbäckerei« reden wollen, bewundere ich, wie Sie generationsübergreifende Musikerlebnisse geschaffen haben. Nicht nur mit einzelnen Liedern, die wahrlich jedes Kind und nahezu jeder Erwachsene kennt, sondern auch mit den Werken, die darüber hinaus gehen. »Der kleine Tag« zum Beispiel ist ein Werk für jede Altersklasse, in dem viele philosophische Dimensionen stecken, mit »Die Weihnachtsbäckerei« erreichen Sie die vermeintlich Kleineren, aber die Freude an Weihnachten, an den Liedern und an der unterhaltsamen Geschichte von Hannah Kohl und Martin Lingnau ist auch bei den Erwachsenen spürbar.
Rolf Zuckowski: Ja, die beiden haben auf meinen Wunsch hin eine Reihe von erwachseneren Stimmungen mit eingebaut. Damit eben die Eltern und Großeltern auch das Gefühl haben, mit dem Stück ein bisschen mehr Richtung Weihnachten gebracht zu werden, den Advent zu erleben. Das Anfangslied ›Die Zeit der Wunder‹ hat tatsächlich auch einen kleinen philosophischen Ansatz, ebenso >Dezemberträume‹ und das Lied zum Ausklang begleitet Groß und Klein auf dem Heimweg. Es ist ein Generationenstück und genau darum ist es so erfolgreich.
blimu: So zu schreiben, dass es Erwachsene und Kinder gleichermaßen mögen, ist sicherlich auch Teil Ihres Erfolgs – so etwas gelingt wenigen Komponisten.
RZ: Ich habe immer als Erwachsener geschrieben und versucht, als Komponist trotzdem genug Kind zu sein. Bei vielen Liedern gibt es Ebenen, die Kinder noch gar nicht erkennen, in die sie hineinwachsen müssen. Aber in Wahrheit mache ich mir nicht einmal viele Gedanken darüber, ich lasse es einfach geschehen. Während ich schreibe, bin ich ein bisschen am Träumen, manchmal auch ein bisschen am Hoffen oder am Bangen. Und dann kommen dabei meine Lieder raus.
blimu: Ich habe mal gelesen, dass Ihr Sohn bei ›In der Weihnachtsbäckerei‹ eine maßgebliche Rolle spielte.
RZ: Andreas, ja. Das Lied ist auf einer Autofahrt von Bochum nach Hamburg entstanden. Ich war vorher bei einem Konzert von Polizei und Verkehrssicherwacht mit vorweihnachtlichem Charakter, war also in entsprechender Stimmung, und hatte mir ein Autotelefon gemietet – das war damals noch so groß wie ein Kofferradio. (schmunzelt) Damit habe ich zuhause angerufen und meine Frau war mit den drei Kindern in der Küche beim Weihnachtskeksbacken. Also habe ich mich auf die fertigen Plätzchen gefreut, die auf mich warten werden und mir vorgestellt, was Zuhause gerade los ist. So entstand das Lied, das ich dann auch gleich zuhause vorgesungen habe. Und alle haben sehr schnell, schon beim zweiten Refrain, mitgesungen. Aber später, als der Kleine dann ins Bettchen ist, hat er es auf der Treppe auch noch gesungen – nur mit anderem Schluss der ersten Strophenzeile. Sie endet seitdem auf der Tonika, dem Grundton. So hatte ich es nicht komponiert, ich hatte es mit einem Auftakt komponiert. Er hat aber den Schluss des Refrains intuitiv gleich zum Anfang gemacht, und das war tatsächlich sehr schlau. In diesem Sinne ist der kleine, dreijährige Junge von damals tatsächlich Mitautor.
blimu: Haben Sie die Lieder immer an Ihren Kindern ausprobiert?
RZ: In meinen frühen Jahren sind viele Lieder an meiner Gitarre entstanden. Ich komme ja von der Beatmusik, meine erste Band hieß >the beAthovens< und entsprechend klingen auch alle Lieder wie typische Gitarristen-Lieder. Es sind in der Regel drei Akkorde, manchmal gibt es noch eine Mollparallele. Der Vorteil der Gitarre ist, dass man überall damit arbeiten kann, also natürlich habe ich das auch sehr viel zuhause gemacht. Was ich nachträglich sehr zu schätzen weiß, ist, dass mich meine Kinder in der Phase, wo ich intensiv dabei war, mir etwas auszudenken, nie gestört haben. Sie haben nie Fragen gestellt oder wollten unbedingt Teil davon sein. Sie haben vermutlich gespürt, dass ich gerade intensiv am Arbeiten war und dafür bin ich ihnen, auch Jahrzehnte später, noch sehr dankbar. Das änderte sich erst, als meine Tochter mit etwas neun Jahren anfing, Klavier zu spielen. Ab dann habe ich viel auf Reisen kreiert, in den Zügen, wo die Kupplungen zwischen den Waggons noch so laut waren, dass ich singen konnte wie ich wollte und niemanden gestört habe. Da sind Melodien entstanden, die ich erst später an der Gitarre harmonisieren und strukturieren konnte, zum Teil aber auch für die Umsetzung meiner Ideen Arrangeure brauchte. Diese haben aus meinen Gitarren-Kompositionen dann echte Lieder mit Struktur gezaubert. Wer sich damit mal genauer auseinandersetzen möchte, darf das gerne tun – man hört die Unterschiede in den früheren Werken zu den späteren deutlich. Udo Jürgens hat sich mal als Lied-Komponist bezeichnet und ich glaube, dass ich den Begriff für mich auch am liebsten mag, weil ich über ein Lied hinaus nicht komponieren kann. Werner Becker oder auch Martin Lingnau sind Komponisten. Sie haben Musik studiert, sie haben einen ganz anderen Hintergrund als ich. Ich habe aber nur einen kleinen Kosmos, in dem ich mein Können sehe.
blimu: Innerhalb von diesem vermeintlich kleinen Lied-Kosmos haben Sie auch Musik für Peter Maffays »Tabaluga oder die Reise zur Vernunft« beigesteuert.
RZ: Dafür bin ich Peter sehr dankbar, er hat mir damals die Melodie für ›Ich wollte nie erwachsen sein‹ auf einer Kassette dagelassen, nachdem wir lange darüber geredet haben, was er für Kinder machen könnte. Es ging um Sagenhaftes, Abenteuerliches, für (erwachsene) Kinder und für seine Fans. Er hat mich bei einigen Entscheidungen in der Fortführung der Tabaluga-Story damals auf die Reise mitgenommen, aber ich hatte parallel gerade eine Hoch-Zeit mit »Rolf und seine Freunde« und ich konnte ihn dann nicht so lange begleiten, wie wir es uns vielleicht auch gewünscht hätten. Aber ich wäre zu dem Zeitpunkt seiner Energie in dem Projekt vielleicht auch nicht gerecht geworden. Wir sind noch immer befreundet und ich finde, dass er das alles wirklich sehr gut hinbekommen hat – und natürlich freue ich sehr, da am Anfang so involviert gewesen zu sein und auch einen kleinen Stein zum Erfolg beigesteuert zu haben!
blimu: Wie finden Sie denn Ihre Ideen? Erst Text oder erst Melodien?
RZ: Es ist fast immer so, dass ich eine Textzeile im Kopf habe, oder von jemand anderen einen Satz höre, und sofort die Musik dazu in mir erklingt. Manche Wörter haben schon von Haus aus so eine starke Melodie in sich, dass es gefühlt gar nicht nötig ist, sie zu komponieren, sie ist einfach da. Aber nach dem ersten, ausschlaggebenden Satz, kommt natürlich der Refrain und die Strophen und da muss ich gestehen, sind die Melodien oft stärker als die Texte in meinem Kopf, da arbeite ich dann viel mit einem Blödsinnstext, einfach nur, damit ich dann weiterkomponieren kann. Das Lied ›Lass die Kinder singen‹ zum Beispiel hatte am Anfang einen »italienischen« Text – ich kann aber kein Italienisch und entsprechend ist der Text auch natürlich einfach nur Kauderwelsch, aber im italienischem Sprachfluss. Was ich aber auch immer wieder gerne gemacht habe, ist, Texte von anderen zu vertonen. Von Erika Wildgrube-Ulrici oder auch von Rudl Kinau. Ich glaube, dass ich meine Lieder quasi immer singend komponiert habe, ist ein Teil des Geheimnisses, warum sie so gern auch von anderen gesungen werden. Sie sind einfach singbar und dadurch wandern sie, von mir zu anderen Menschen, die sie sich dann zu eigen machen.
blimu: Das die Menschen Ihre Lieder weitertragen, ob allein gesungen, zuhause mit den Kindern, oder in Chören, ist Ihnen tatsächlich sehr oft gelungen, einige Lieder sind inzwischen echte Klassiker deutscher Liedgeschichte.
RZ: Das ist für mich tatsächlich das größte Komponistenglück, dass mir das gelungen ist. Wenn Menschen wissen, dass das Lied von mir, aber es ganz zu ihrem machen. Das gelingt nur, wenn etwas mit Hilfe von oben und ganz aus dem Herzen kommt.
blimu: Wenn man jetzt »Der kleine Tag« mit »Die Weihnachtsbäckerei« vergleicht, fällt gleich auf, dass sich beim ersterem um ein komplettes Werk handelt, sprich Lieder von Ihnen nur dafür komponiert wurden. »Die Weihnachtsbäckerei« ist hingegen quasi ein Compelation-Musical, was Ihre größten Hits nutzt, die als Teil einer Geschichte eingefügt wurden. Wie sind die Werke entstanden, Ihr Anteil war daran ja jeweils ein gänzlich anderer.
RZ: Ja, das stimmt. Bei »Der kleine Tag« hatte Wolfgang Eicke die Idee zu der Geschichte, er hat sie mir geschickt und ich war davon fasziniert. Ich habe ihn dann angerufen und gesagt, dass da etwas ganz Großes drinsteckt, ein Märchen für Erwachsene. Dann haben wir beide über ein Jahr immer wieder daran gearbeitet, für mich persönlich war der Schlüssel, mit ›Ich bin nur heute‹ den Kleinen Tag klingend zu einer Persönlichkeit zu machen. Ich habe dann den Freund von Wolfram, Hans Niehaus, mit einbezogen, er hat auch einige Melodien beigesteuert. Also die musical-ähnlichen Komposition sind im Grunde mehr von ihm, er denkt da einfach ganz anders als ich. Wir haben uns dann mehrfach in meinem Ferienhaus hinter dem Elbdeich getroffen und in mehreren Brainstorming-Workshops die Geschichte mit den Liedern und den Text-Zeilen, die wir schon hatten, immer mehr und mehr zu einer runden, großen Geschichte werden lassen. Die Zusammenarbeit und das Entwickeln hat viel Spaß gemacht!
Diesen ganzen Prozess hatte ich bei »Die Weihnachtsbäckerei« natürlich nicht. Martin Lingnau hatte mich angerufen und gefragt, ob er meine Lieder nehmen und damit eine Geschichte kreieren dürfte. Ich wusste natürlich von seinen Musicals, die er für das Hamburger Schmidts Tivoli Theater geschrieben hat. Er hat dann Hannah Kohl mit einbezogen, die auch damals schon in New York lebte. Sie kannte ich nicht, aber er hatte mein vollstes Vertrauen, wenn jemand das kann, dann sicherlich er. Ich habe ihm angeboten, dass er mich immer gern mit einbeziehen kann, wenn er das möchte – und genau das hat er dann auch getan. Ich fand immer alles, was er mir schickte, sehr gelungen. Mir war nur wichtig, dass es auch immer mal besinnliche Momente gibt. Das hat er ganz wunderbar umgesetzt, zum Beispiel bei ›Bald, bald, bald‹, wenn die kleine Emily sehr rührend besorgt ist, sich zu viel gewünscht zu haben. Auch der Auftakt, ›Die Zeit der Wunder‹, macht eine Tür zum Advent auf, wo Erwachsene wieder zu Kindern werden dürfen, wo Kinder von Dingen träumen dürfen, wovon sie das ganze Jahr nicht träumen. Auch dass wir ›Inseln der Stille‹ umgedichtet haben und es nun sozusagen der Ausklang ist, mit dem wir die Familien wieder hinaus in den Advent entlassen, ist einfach wundervoll umgesetzt.
blimu: Wie war es für Sie, als Sie das Musical das erste Mal sehen durften?
RZ: Es war berührend, so großartig instrumentiert, viel größer als meine Originalaufnahmen. Das macht es tatsächlich zu einem richtigen Musical und hat so viel Kraft! Ich glaube, dass es mein zweitgrößtes Weihnachtsgeschenk war, dass ich das Stück erleben durfte. Ich war sehr, sehr berührt, ich hatte auch an der ein oder anderen Stelle Tränen in den Augen. Nicht jedes Weihnachten war einfach, manchmal gab es Krankheiten, manchmal Familienzwists. Und meine Lieder dann zu hören, hat viele Erinnerungen zurückgebracht, an die Momente, in denen sie entstanden. Das zweitgrößte Geschenk übrigens nur, weil mein Sohn Alexander am 19. Dezember zur Welt kam – und das ist natürlich unangefochten das größte Weihnachtsgeschenk!
blimu: Sie haben sich ja vor ein paar Jahren offiziell in Rente begeben – aber das ist natürlich in Wahrheit ein Schwindel, weil Sie nicht wirklich weniger beschäftigt sind seitdem. Ihre PR-Reise zeigt es gerade wieder beeindruckend.
RZ: Ja, ich bin jetzt 78 und ich muss mit meinem Kalender etwas vorsichtiger umgehen, zumal ich – auch nach 54 Jahren Ehe – am allerliebsten bei meiner Frau daheim bin und diese Zeiten umso mehr genieße. Aber sie versteht auch (und hat immer verstanden), dass die Musik und die Musik lebendig zu halten, meine Leidenschaft ist.
blimu: Sie machen inzwischen vor allem unheimlich viel soziale Arbeit, Sie haben eine Stiftung ins Leben gerufen und unterstützen vieles, was anderen Menschen helfen könnte und/oder Musik ins Leben von Kindern bringt. Wie traurig macht es Sie, dass die Politik immer weniger wert auf die Förderung von Musik bei Kindern/Jugendlichen legt? Das Musikunterricht tatsächlich nur noch halbjährlich an den Schulen stattfindet?
RZ: Ich muss gestehen, dass ich ja tatsächlich in einer anderen Welt lebe, denn die Projekte, zu denen ich gerufen werde, finden ja immer in einer sehr Musik-wertschätzenden Umgebung satt. Darum kenne ich persönlich sehr viele Schulen, in denen Musik intensiv gelebt wird. Eine Schule in Lindenberg trägt sogar meinen Namen, und jedes Kind dort hat die Chance, Gitarre zu lernen. Darum kann ich nur aus Berichterstattungen schließen, dass Musik zum Teil gar kein eigenes Fach mehr ist – was eine zutiefst traurige Entwicklung ist. Musik, vor allem Aktivmusik, fördert Persönlichkeiten, sie fördert die Gemeinschaft, sie fördert den Sinn für Unterschiedlichkeiten, für unterschiedliche Kulturen und Sprachen. Die dann, in der Musik, doch wieder zusammenfinden. Mir hat mal jemand gesagt, dass er denkt, dass Politiker es nicht fördern, weil sie selbst vermutlich nie guten Musikunterricht erlebt haben. Das macht mich nachdenklich. Meine Stiftung heißt ganz bewusst: Kinder brauchen Musik. Sie hätte auch Kinder lieben Musik heißen können, was ja auch stimmt, aber ich bin eben fest davon überzeugt, dass es noch tiefer geht und Kinder, letztendlich jeder Mensch, Musik BRAUCHT!
blimu: Wir haben ja Leser, die den Wert von Musik kennen und schätzen – wie dürfen Sie Ihre Stiftung unterstützen?
RZ: Nun, wie jede Stiftung freuen wir uns natürlich über Spenden! Auf https://kinderbrauchenmusik.de/ kann man sich einen guten Überblick verschaffen, was wir genau machen. Wir haben auch immer wieder Veranstaltungen, die kostenfrei sind und wo wir dann zum Spenden aufrufen, die darf natürlich jeder besuchen. Und letztendlich ist es immer am wertvollsten, die Einstellung, das jeder Mensch Musik braucht, ins eigene Leben zu tragen und den Kindern, Enkeln und Freunden vorzuleben!
blimu: Lieber Herr Zuckowski, vielen Dank für das schöne Interview, den Einblick in Ihre Arbeit und noch mehr Dank für die Freude und das Glück, dass Sie mit Ihrer Musik und Ihrem sozialen Engagement in die Herzen aller großen und kleinen Kinder bringen. Ihnen alles erdenklich Gute!

