Anlässlich des 140. Geburtstages des Komponisten Üsejir Hadschibäjli, Komponist der ersten Oper des Orients, bringt das aserbaidschanische Kulturzentrum in Wien seinen Operettenklassiker »Arschin mal anan« zurück auf eine Wiener Bühne. Bereits 2006 wurde diese Operette in der Wiener Kammeroper, in aserbaidschanischer Sprache, aufgeführt. Unter dem Titel »Samt und Seide« wird nun eine moderne Fassung in deutscher Sprache im Theater Akzent aufgeführt. Die Regie übernimmt Rita Sereining, die musikalische Leitung, liegt, wie bereits 2006, in den Händen von Michael Schnack. Die neue Fassung, die im Jahr 2025 angesiedelt ist, stammt von Max Niemeyer und Rita Sereinig, während die deutschen Gesangstexte, die sich mit dem aserbaidschanischen Original vermischen, aus der Feder von Michael Schneck kommen.
Zunächst zur Handlung: Äsgär ist der Neffe der Besitzerin der Stofffirma Gül in der aserbaidschanischen Stadt Schuscha. Er ist als Buchhalter in der Firma seiner Tante tätig, träumt aber von einer Karriere als Modedesigner. Seine Tante Dschahan möchte ihn aber viel lieber unter die Haube bringen. Seine besten Freunde Väli, chaotischer Mitarbeiter in der Stofffirma, und Süleyman, Influencer und PR-Agent, versuchen ihn aufzumuntern. Es gelingt Süleyman sogar, seinem verzweifelten Freund einen Platz in der berühmten Baku Fashion Week zu besorgen. Dort soll er unter dem Namen Sarva als Hauptact und aufstrebender Modedesigner in Erscheinung treten.
Währenddessen fühlt sich auch Gültschöhrä gefangen. Sie ist die Tochter des Besitzers des Modehauses Bülbül und sollte sich eigentlich auf die Moderation der bevorstehenden Baku Fashion Week vorbereiten, träumt aber von einem freien Leben, denn ihr Vater möchte sie unbedingt unter die Haube bringen. Da die arrangierte Verlobung mit Samir kürzlich in die Brüche gegangen ist, möchte sie endlich selbst über ihr Leben bestimmen. Bei der Fashion Week lernt sie den mysteriösen Sarva kennen, der mit seiner Kollektion für Furore sorgt und Gültschöhräs Herz erobert. Auch er verliebt sich auf Anhieb in sie, nicht ahnend, dass ihre Familien seit Jahren Erzfeinde sind. Äsgär ist dermaßen glücklich, dass er seine Tante Dschahan bittet, auch zur Baku Fashion Week zu kommen. Dort trifft sie gleich Soltan Bey, Besitzer des Modehaus Bülbül, der Äsgär entlarvt und seinen Plan aufdeckt. Äsgär und seine Belegschaft werden aus der Baku Fashion Week verbannt.
Zum Glück kann Süleyman sein Talent für PR ins Spiel bringen und macht mit Soltan Bey einen Deal: Äsgär darf seine Tochter ehelichen, wenn er eine Kooperation mit dem Modehaus Bülbül aufzieht. Gültschörä bekommt das Gespräch der beiden mit, glaubt aber, dass ihr Vater sie erneut zu einer Ehe, diesmal mit Süleyman, zwingen möchte, und zeigt sich daher nicht bei der lang ersehnten Preisverleihung, die sie moderieren soll. Dort schaltet sie sich nur per FaceTime dazu und beschwert sich, dass ihr Vater immer über ihr Leben bestimmen möchte. Allerdings wird an der dieser Stelle das Missverständnis geklärt, sie erscheint doch noch zur Preisverleihung, versöhnt sich mit ihrem Vater und geht eine Beziehung mit Äsgär ein. Auch Väli und Süleyman können ihre Herzensdamen Telli und Asya, beide beste Freundinnen von Gültschöhrä, erobern. Und nebenbei gewinnt Sarva noch den prestigeträchtigen das Preis der Baku Fashion Week.
Hier trifft Tradition auf Moderne. Während Tante Dschahan und Soltan Bey für die Tradition stehen, verkörpern Äsgär und Gültschöhrä die heutige, moderne Welt. Ebenso traditionell klingt die Musik, die zwar klassisch klingt, aber dennoch einen orientalischen Einfluss nicht verleugnen kann. Dementsprechend ist diese Musik auch sehr schwer zu singen, weil sie von der Tonalität ganz anders klingt als die Musik in Operetten, die hierzulande bekannt sind. Trotzdem ist die Musik, die von einem 11-köpfigem Orchester begleitet wird, eindrucksvoll und schafft einen orientalischen Klang.
Nur schade, dass sich hier die beiden Sprachen vermischen, manchmal würde man gerne verstehen, was gesungen wird. Dafür funktioniert die Dramaturgie sehr gut und die Geschichte wird mit viel Witz und mit Referenzen zur heutigen Popkultur erzählt.
Besetzungstechnisch hat man hier eine großartige Truppe zusammengetrommelt. James Park begeistert mit starker Stimme und glänzt schauspielerisch und zeigt sich dabei facettenreich. Ebenso überzeugt Bianca Basler als Gültschöhrä schauspielerisch und gesanglich und harmoniert sehr gut mit James Park. Genauso harmonieren Lucia Miorin als Telli und David Mannhart als Väli. Beide zeigen sich schauspielerisch von der sympathisch-chaotischen Seite und können auch gesanglich punkten. Lukas Karzel bringt viel Selbstbewusstsein in die Rolle des Süleynan und kann dank seiner ausdrucksstarken Stimme auch gesanglich punkten. Er harmoniert auch gut mit Caroline Hat, die sich als Asya von der humorvollen Seite zeigt. Ramin Dustdar und Murielle Stadlmann sind die einzigen, die bereits 2006 mit von der Partie waren. Während Dustdar viel Strenge und Autorität in die Rolle des Soltan Bey bringt, zeigt sich Stadlmann von der humorvollen Seite.
Rita Sereinig schafft es, mit den Visuals auf LED Wänden von Christian Ariel Heredia, den teilweise opulenten Kostümen von Vüsal Rahm und den Choreografien von Susanne Rietz Tradition und Moderne zu vereinen. Ihre Fassung ist zeitgemäß dank der Referenzen zur Popkultur und Influencer/Mode-Welt, aber vermischt sich gut mit der traditionellen Musik und mit den traditionellen Themen wie Familie und arrangierte Ehen. Sie schafft es, dieses Stück ins 21. Jahrhundert zu bringen, und bringt ihren Zusehern die aserbaidschanische Kultur etwas näher.

